Herbsttagebuch: Roman (German Edition)
Juli?
»Eine Zeitlang
habe ich sogar geglaubt, es könnte etwas Ernstes zwischen euch entstehen«, sagt
Marlene.
»Das habe
ich auch geglaubt«, antworte ich. »Sonst hätte ich Basti nicht verlassen.«
»Ach, den
habe ich übrigens gesehen«, sagt Marlene. »Mit absolut hinreißender Begleitung.«
»Das ist
Juli, seine Tochter«, sage ich und merke, wie ich vor Freude auf die beiden rot
anlaufe.
»Ach, seine Tochter ist die rassige Brünette mit dem Hammer-Dekolleté? Oh, là, là!«
Marlene
grinst derartig anzüglich, dass ich alle positiven Gedanken, die ich eben über sie
hatte, direkt wieder über Bord schmeiße.
Basti hat
eine Frau mitgebracht?
Einmal mehr
habe ich mich zu früh gefreut. Ich habe ihm Premierenkarten geschenkt, damit ich
ihn wiedersehen kann, damit er meine Kostüme sieht und stolz auf mich ist, damit
wir auf der Feier quatschen und uns tief in die Augen gucken können … Aber er bringt
seine neueste Liebschaft mit! Meine schöne rosarote ›Wir gehören wieder zusammen‹-Seifenblase
ist geplatzt.
Tja, Rosa Redlich, du kannst nun mal nicht alles haben!
Das Leben
ist kein Musical und alle meine Kritiker haben recht: meine romantische Ader ist
bescheuert!
In diesem
Moment kommt Leo auf mich zu, nimmt mich in seine Arme und gibt mir vor versammelter
Mannschaft einen langen Kuss. Der kann küssen … In meinem Bauch kribbelt es. Ein
paar Kameras blitzen.
The show must go on, Rosa!
Den Rest des Abends flanieren Leo und ich durch die Menschenmenge
und nehmen Komplimente für die gelungene Aufführung und die glänzende Ausstattung
entgegen.
Basti ist weit weg. Ich sehe ihn nur einmal von Weitem und
bin jetzt richtig froh darüber.
*
Am nächsten
Morgen kommt Leo mit einer Tüte knuspriger Brötchen und einem Stapel druckfrischer
Zeitungen an den Frühstückstisch.
»Es war wunderbar gestern«, sagt er und schaut mich strahlend
an. Ich bin mir in diesem Moment nicht sicher, ob er die Premiere meint. Oder uns.
Oder beides. Wir hatten danach eine besonders schöne Nacht, haben kaum geschlafen.
Begeistert liest er mir aus den Kritiken vor. Ich bestreiche
ihm sein Frühstücksbrötchen mit Butter und schäle eine Orange. Wir trinken Kaffee,
werten zusammen die Frühkritiken aus und freuen uns, dass die Journalisten vor Superlativen
nur so übersprudeln.
Irgendwann streckt Leo seine Hand über den Tisch und greift
nach meiner.
»Ich liebe
es mit dir, Rosa«, sagt er und streicht über meinen Arm.
»Danke«,
sage ich und spüre, dass ich rot werde. Ich hatte nämlich gerade an Basti gedacht
und dass es ein Fehler war, ihm wortlos zwei Premierenkarten zu schicken. Ich hätte
ihm sagen sollen, dass die zweite für Juli gedacht war.
»Ich hab
mir etwas überlegt«, fährt Leo fort. »Es ist … Wir arbeiten wunderbar zusammen und
es ist schön, wenn ich nachts hierher komme und du bist da, weißt du? Das ist mir
gestern richtig klar geworden, als du bei der Party neben mir standest.«
In dem Moment,
als ich daran dachte, dass ich wieder zurück zu Basti will!
Endlich
weiß ich, was Ironie des Schicksals ist.
»Leo«, sage ich. »Bitte, du musst das nicht sagen.«
Jetzt, wo er sowieso bald weg ist, ergeben diese Sätze doch
gar keinen Sinn mehr. Er steht auf, geht an den Küchenschrank und holt einen Briefumschlag
aus einer der Schubladen.
»Es ist für dich«, sagt er und reicht mir das Kuvert. »Ich
habe eine Weile überlegt, aber ich bin mir sicher. Es ist nur ein Versuch und wir
wissen beide, ein Versuch kann schiefgehen, doch ich glaube, das wird er nicht.«
»Leo!«
Mir wird
ganz unheimlich zumute, denn so habe ich ihn nie zuvor erlebt. Richtig ernst und
dabei fast ein wenig unsicher wirkend. Mit zitternden Händen öffne ich den Umschlag.
Es sind zwei Flugtickets darin, für ihn und mich, one-way nach Los Angeles.
»Wir können
den Jahreswechsel dort verbringen«, sagt er und seine schönen braunen Augen leuchten
froh. »Ich zeige dir alles und wenn du magst, wenn es dir gefällt, dann können wir
dort ab Januar zusammen weiterarbeiten.«
Du lieber Himmel! Was ist denn bloß in Leo gefahren?
Und in mich!
Noch vor wenigen Tagen habe ich mir genau das gewünscht und jetzt …? Jetzt bin ich
total verunsichert. Ich freue mich, natürlich, denn das Flugticket zeigt mir Schwarz
auf Weiß, dass ich für Leo mehr als eine Bettgeschichte bin.
Ist das
nicht der Hauptgewinn? Nach Los Angeles zu gehen?
Da scheint
365 Tage im Jahr die Sonne, da ist Hollywood, dort bin ich
Weitere Kostenlose Bücher