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Herbsttagebuch: Roman (German Edition)

Herbsttagebuch: Roman (German Edition)

Titel: Herbsttagebuch: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Hohlfeld
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bestimmt nur dahergesagt. Irgendwann mal. Männer reden doch immer
einen Haufen Zeug und dann meinen sie es gar nicht ernst.«
    »Daniel
meint es aber ernst«, schluchzt Vicki. »Wir haben vor der Hochzeit darüber gesprochen.
Und wir waren uns einig. Keine Kinder! Und jetzt das. Er wird mich sofort verlassen,
wenn er es erfährt.«
    Daniel will
keine Kinder? Das sind ja Neuigkeiten. Vorher habe ich mich nie wirklich mit diesem
Thema auseinandergesetzt. Heute schon zum zweiten Mal. Wenn von jedem jungen Paar
in dieser Stadt einer von beiden kein Kind will (und sich damit durchsetzt), dann
wird es bald verdammt ruhig in Berlin. Ich finde, so eine Einstellung passt überhaupt
nicht zu Vickis Mann. Dass er erst einmal keine Kinder will, okay, kann sein. Aber
dass er Vicki verlassen könnte, wenn sie eins (seins!) bekommt … Nie und nimmer.
So hartherzig ist er nicht. Im Gegenteil! Ich glaube sogar, er wäre ein ganz toller
Papa.
    »Du musst
es ihm sagen!«
    »Nein«,
keucht Vicki entsetzt.
    »Ja, aber
…«
    »Er wird
es nicht erfahren.«
    »Aber, wie
soll …? Wie willst du …?«, stottere ich. Dann begreife ich. »Du willst es … doch
nicht etwa wegmachen lassen?«
    Vickis grüne
Katzenaugen schwimmen in Tränen. »Ja, was denkst denn du? Was sein muss, muss sein«,
sagt sie und ihr tieftrauriger Blick straft ihre harten Worte Lügen.
     
    *
     
    »Warum hast du eigentlich
vorhin geweint?«, fragt Vicki und gießt mir Pfefferminztee ein. »Ärger?«
    »Ja, mit
Basti«, antworte ich.
    »Willst
du drüber reden?«
    Während
ich einen Schluck Tee trinke, fällt mir ein, dass es vielleicht nicht so günstig
wäre, ihr in der gegenwärtigen Situation alles zu erzählen. Basti hat ein Kind.
Daniel will keins. Sie will ihres seinetwegen abtreiben, obwohl sie es bestimmt
gern bekommen würde. Stattdessen hätte ich plötzlich ein Kind – als Stiefmutter
sozusagen (ach du Scheiße!). Allerdings nur, falls Basti und ich zusammenbleiben.
Ganz schön kompliziert das alles.
    Neulich
habe ich noch gedacht, dass wir alle verdammt glücklich sind! Typisch, Rosa Redlich.
Kaum genieße ich mein Leben, geht wieder alles schief. Mist!
    »Es ist,
weil Basti kaum Zeit für mich hat«, schwindele ich also, obwohl ich es hasse. »Immer
ist er irgendwo unterwegs.«
    »Aber er
liebt dich«, sagt Vicki. »Das sieht man.«
    »Dani liebt
dich auch«, antworte ich leise. »Rede doch bitte mit ihm.«
    Sie schüttelt
den Kopf.
    Ha! Dann
mache ich es eben.
    »Und Rosa?
Was ich noch sagen wollte …«
    »Mmh?«
    » Du wirst es auch nicht tun, verstehst du? Das hier bleibt unser kleines Geheimnis.«
    Na super,
jetzt habe ich selbst ein ›kleines Geheimnis‹. Und das, obwohl ich gar nicht will.
    »Okay!«
    Hinter meinem
Rücken kreuze ich meine Finger. Ich werde nicht gleich zu Daniel rennen, aber zugucken,
wie sich zwei Menschen, die sich lieben, gegenseitig fertigmachen, werde ich bestimmt
auch nicht.
    Die nächsten
Minuten bestärken mich in meinem Vorsatz.
    Als das
Telefon klingelt und Daniel dran ist, wimmelt Vicki ihn ab. Nein, sie kann heute
nicht. Muss noch viel schreiben. Abgabetermin rückt näher. Keine Zeit und so.
    Nein, liebe
Vicki, so geht das nicht mehr lange weiter. Das lasse ich nicht zu.
     
    28. September
1912
     
    »Du wirst mit Friedrich nicht
über irgendetwas, was er außerhalb unserer vier Wände tut, reden!«, hat mir Mutter
befohlen. »Das geht dich alles nichts an.« Worüber soll ich dann mit ihm sprechen?
Das ganze Leben findet schließlich draußen statt! Wenn ich Mutters Befehl genau
nehme, dürfte ich mit meinem Verlobten also nicht einmal über das Wetter reden.
Aber ich bemühe mich, zu gehorchen. Meiner Mutter zuliebe, die sich so aufopfernd
um mein Wohlergehen sorgt.
    Als ich
Friedrich beim letzten Treffen meine Stickarbeit gezeigt habe – ich fertige 24 Servietten
mit unseren ineinander verschlungenen Initialen an –, da sah ich, wie er mit Mühe
ein Gähnen unterdrückt hat. Ich weiß genau, Tischwäsche ist kein Gesprächsthema
für Männer, und meine Lieblingsbücher interessieren ihn nicht. Aber wir müssen doch
miteinander sprechen.
    All das
ist kompliziert und verunsichert mich sehr. Schrecklich! Was soll ich nur tun? Ich
will doch alles richtig machen!
    Hinzu kommt,
dass Änni immer frecher wird. Sie reißt beim Kämmen rücksichtslos an meinen Haaren,
schnürt mich übertrieben eng, sodass mir schwarz vor Augen wird, und steht mit Elsi
flüsternd in der Ecke und kichert, wenn ich vorübergehe.

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