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Herbsttagebuch: Roman (German Edition)

Herbsttagebuch: Roman (German Edition)

Titel: Herbsttagebuch: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Hohlfeld
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pappelgesäumten Auffahrt. Genauso wie Augusta es im Tagebuch beschrieben
und gezeichnet hat.
    Ich kläre
Leo über meine Eingebung auf und flehe ihn an, bei der nächsten Ausfahrt zu wenden
und zurückzufahren.
    »Du spinnst«,
sagt er, und es klingt nicht so humorvoll, wie ich es gern gehabt hätte.
    Es ist nur
ein Bauchgefühl, aber ich muss die Leute am Potsdamer Platz über ihren Hof ausfragen.
Sofort! Hoffentlich sind sie noch da, denn die dicken Tropfen, die unentwegt vom
Himmel klatschen, laden nicht gerade ein, länger als nötig draußen zu verweilen.
    Ich versuche
während der gesamten Rückfahrt, Leo für meine Augusta-Recherchen zu begeistern (»Schau
mal, jetzt haben wir Kletzin vielleicht gefunden, ohne dass wir hinfahren mussten.«),
doch es gelingt mir nicht.
    »Und was,
wenn dieser Ponyhof nicht in Petzin ist? Fahren wir dann wieder zurück?«
    »Nee, natürlich
nicht«, sage ich kleinlaut. »Es heißt übrigens Kletzin … Augustas Gut war in Kletzin. Und frag dich mal, was passiert, wenn ich es gefunden habe.«
    »Was passiert
denn dann?«
    Ja, was
eigentlich? Meine Euphorie war verfrüht. Dann hätte ich Augustas Zuhause zwar entdeckt,
allerdings nur, um zu erfahren, dass es demnächst abgerissen und in eine Schweinemastanlage
verwandelt wird. Klasse.
    »Ich hoffe,
dass ich noch Informationen bekomme, was aus ihr geworden ist und wie sie gestorben
ist.«
    Leo schüttelt
den Kopf. »Da hast du dich in was hineingesteigert«, sagt er. »Ich frage mich nur,
was ich damit zu tun habe.«
    Dermaßen
brummig kannte ich meinen Freund bisher gar nicht. Ich sehe ein, dass ich heute
ein bisschen übertrieben habe.
    »Ich quatsche
nur fünf Minuten mit den Leuten, dann bin ich wieder bei dir«, sage ich, als Leo
am Potsdamer Platz hält. »Danach bestimmst du alles, was wir heute machen,
ja?«
     
    *
     
    »Kletzin ist ein zauberhaftes Fleckchen«,
sagt der Mann in Western-Reitkluft. »Sie sollten mal vorbeikommen. Im Frühling,
wenn die Obstbäume blühen.«
    »Gern«,
sage ich strahlend.
    Meine Eingebung
war richtig!
    Ich habe
Augustas geliebtes Zuhause gefunden. Es lag quasi vor meiner Werkstatt-Tür. Der
Ponyhof heißt heute zwar ›Gut Sonnenschein‹, aber der Ort, in dem er sich befindet,
das ist Kletzin. Auf den Fotos kann man das große Haus erkennen und die lange Pappelallee,
die Pferde auf den Weiden … eindeutig Augustas Anwesen.
    »Wem das
alles früher gehörte, weiß ich nicht«, sagt der Mann ehrlich. »Es gab bis zum Kriegsende
einen Besitzer, doch der hat alles stehen und liegen lassen und ist in den Westen
abgehauen. Zu Ostzeiten war das Haus ein Sanatorium, bis es anfing zu verfallen.
Jetzt steht es beinahe seit 25 Jahren leer. Das Dach ist halb eingestürzt. Die Bauaufsicht
hat alles abgesperrt. Wir nutzen die ehemaligen Nebengebäude, die in gutem Zustand
sind, und die Wiesen natürlich.«
    »Gibt es
keinen Eigentümer?«
    »Doch, den
gibt es. Eben jener, der alles abreißen lassen will und das gesamte Grundstück mit
einer Mastanlage für 30.000 Schweine bebauen will.« Er seufzt vernehmlich. »Abgesehen
von dem Verlust für die Kinder … Man stelle sich diese Menge an Tieren vor, mit
allem, was dazu gehört.«
    »Die ganze
schöne Landschaft wäre zerstört.«
    Der Mann
nickt. »Die Gülle, der Gestank, neue Zufahrtsstraßen für die Viehtransporter … Da
können Sie die Ruhe und den Zauber von Kletzin vergessen.«
    »Gibt es
eine Chance?«, frage ich.
    »Leider
nicht«, sagt er resigniert. »Die Pläne sind durch. Außer, dass wir dem Investor
mit unserem Protest noch ein wenig in die Suppe spucken.«
    »Wer ist
denn der Eigentümer?«
    »BB-Immo-Net.
Die haben schon halb Brandenburg aufgekauft.«
    Es ist total
spannend, was der Mann zu erzählen hat. Nur was Augusta angeht, komme ich mal wieder
nicht voran. Der Mann weiß nichts über die alten Geschichten.
    »Im Wald
ist ein kleiner Friedhof«, sagt eines der Kinder, das zugehört hat. »Da gibt es
nur ein einziges Grab und da stellt immer jemand Blumen hin.«
    »Weißt du
denn, welcher Name darauf steht?«
    Das Kind
schüttelt den Kopf.
    Am liebsten
würde ich nun doch nach Kletzin fahren. Vielleicht kann ich Leo … Als ich mich umdrehe,
ist sein Auto weg. Ich erschrecke kurz, dann fällt mir ein, dass er bestimmt einen
Parkplatz gesucht hat. Ich habe entgegen meiner Ankündigung, es kurz zu machen,
mindestens eine halbe Stunde mit den Leuten geredet, wenn nicht länger.
    Vielleicht
holt Leo uns sogar einen Kaffee bei

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