Hercule Poirot schläft nie
unwillkürlich aufs Gaspedal.
»Verdammt!«, rief er. »Ich wusste, dass etwas faul war! Aber was? Ich habe diesen Koffer doch gründlich unte r sucht.«
»Mein armer Japp… dabei ist es doch ›sonnenklar, mein lieber Watson‹ – wie es so schön heißt.«
Japp warf ihm einen ärgerlichen Blick zu.
»Wo fahren wir jetzt hin?«, fragte er. Poirot sah auf die Uhr. »Es ist noch nicht vier. Wir könnten vor Einbruch der Dunkelheit in Wentworth sein.«
»Was meinen Sie, ist sie tatsächlich dort gewesen?«
»Ich glaube schon – doch ja. Sie musste wissen, dass wir es möglicherweise nachprüfen. O ja, ich glaube, wir we r den feststellen, dass sie dort war.«
Japp brummte: »Meinetwegen, fahren wir.« Er steuerte den Wagen geschickt durch den dichten Verkehr. »O b wohl ich nicht begreife, was dieser Koffer mit dem Verbrechen zu tun hat. Soviel ich sehe, hat er überhaupt nichts damit zu tun.«
»Genau, mein Freund, ich bin völlig Ihrer Meinung. Er hat nicht das geringste damit zu tun.«
»Warum ist dann – nein, sagen Sie nichts! Ordnung und Methode und alles muss säuberlich abgeschlossen we r den, ich weiß… Na ja, es ist ein schöner Tag.«
Sie fuhren sehr schnell. Bereits kurz nach halb fünf ha t ten sie den Golfclub von Wentworth erreicht. An einem Wochentag herrschte dort wenig Betrieb.
Poirot begab sich direkt zum Verwalter und bat um Miss Plenderleiths Golfschläger. Sie wolle morgen auf einem anderen Platz spielen, erklärte er.
Der Mann rief etwas, worauf ein Junge zwischen ve r schiedenen Golfschlägern, die in einer Ecke standen, zu suchen begann. Schließlich zog er eine Tasche mit den Initialen J.P. hervor.
»Danke.« Poirot wandte sich zum Gehen, drehte sich dann scheinbar beiläufig noch einmal um und fragte: »Sie hat nicht zufällig einen kleinen Koffer bei Ihnen stehen gelassen?«
»Heute nicht, Sir. Vielleicht hat sie ihn im Clubhaus vergessen.«
»Sie war doch heute hier?«
»O ja, ich habe sie gesehen.«
»Wissen Sie, welchen Caddie sie hatte? Sie vermisst ein Köfferchen und kann sich nicht erinnern, wann sie es das letzte Mal dabei hatte.«
»Sie wollte keinen Caddie. Sie kam bloß herein und kaufte ein paar Bälle. Nahm nur ein Paar Schläger mit. Mir ist übrigens, als hätte sie da ein Köfferchen in der Hand gehabt.«
Poirot bedankte sich und ging. Die beiden Männer schlenderten um das Clubhaus herum. Einmal blieb Po i rot kurz stehen und bewunderte die Aussicht.
»Es ist schön, nicht wahr, die dunklen Tannen – und dann der See. Ja, der See…«
Japp warf ihm einen raschen Blick zu.
»Das meinen Sie also, wie?«
Poirot lächelte. »Ich halte es für möglich, dass jemand etwas beobachtet hat. Ich würde Nachforschungen in die Wege leiten, wenn ich Sie wäre.«
10
Poirot trat zurück und begutachtete mit schrägem Kopf die Anordnung der Sitze. Ein Sessel hier – ein zweiter Sessel dort. Ja, so war es sehr gut. Und da klingelte es auch schon an der Tür – das musste Japp sein.
Der Mann von Scotland Yard kam mit lebhaften Schri t ten ins Zimmer.
»Sie hatten vollkommen Recht, alter Freund. Den Nagel auf den Kopf getroffen. Eine junge Frau ist gestern be o bachtet worden, wie sie etwas in den See warf. Wir kon n ten den betreffenden Gegenstand ohne größere Schwi e rigkeiten herausfischen. Genau an der Stelle gibt es viel Schilf.«
»Und was war es?«
»Es war tatsächlich das Köfferchen! Aber warum, um Himmels willen? Das begreife ich einfach nicht! Es war nichts drin – nicht einmal die Zeitschriften. Warum eine junge Frau mit vermutlich normalem Verstand einen te u ren Koffer in einen See wirft – wissen Sie, dass ich mir darüber die ganze Nacht den Kopf zermartert habe?«
»Mon pauvre Japp. Aber Sie brauchen sich keine Sorgen mehr zu machen. Hier kommt schon die Antwort. Es hat geklingelt.«
George, Poirots untadeliger Diener, öffnete die Tür und meldete: »Miss Plenderleith.«
Die junge Frau trat mit ihrer gewohnten Selbstsiche r heit ins Zimmer und begrüßte die beiden.
»Ich habe Sie hergebeten…« Poirot unterbrach sich. »Würden Sie bitte hier Platz nehmen und Sie hier, Japp… ich habe Ihnen bestimmte Mitteilungen zu machen.«
Die junge Frau setzte sich. Sie blickte von einem zum anderen, während sie ihren Hut nach hinten rückte. Schließlich nahm sie ihn ab und legte ihn ungeduldig be i seite.
»Ja«, sagte sie, »Major Eustace ist verhaftet worden.«
»Das haben Sie in der Morgenzeitung gelesen, nehme ich
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