Hercule Poirot schläft nie
gleichen?«
»Précisément«, sagte Poirot und zeichnete mit dem Finger eine Figur in den Sand.
»Was zeichnen Sie da?«, fragte Pamela neugierig.
»Ein Dreieck.«
Aber Pamelas Interesse war schon wieder abgelenkt.
»Da sind die Chantrys.«
Eine Frau kam zum Strand herunter – groß und sehr selbstbewusst. Sie nickte kurz, wobei sie lächelte, und setzte sich etwas abseits. Das rot-goldene Seidentuch glitt ihr von den Schultern. Sie trug einen weißen Badeanzug.
Pamela seufzte.
»Hat sie nicht eine schöne Figur?«
Aber Poirot betrachtete ihr Gesicht – das Gesicht einer Frau von neununddreißig, die sich seit ihrem sechzehnten Lebensjahr ihrer Schönheit bewusst war.
Wie alle Welt wusste auch er über Valentine Chantry Bescheid. Sie war für vieles berühmt – für ihre Launen, ihren Reichtum, ihre riesigen saphirblauen Augen, ihre Abenteuer. Sie hatte eine Menge Ehemänner und zahllose Liebhaber gehabt. Sie war mit einem italienischen Grafen, einem amerikanischen Stahlmagnaten, einem Tennisle h rer und einem Rennfahrer verheiratet gewesen. Von di e sen vieren war der Amerikaner gestorben, die andern hatte sie irgendwann beim Scheidungsrichter abgelegt. Vor sechs Monaten hatte sie zum fünften Mal geheiratet, einen Marinekapitän.
Er kam hinter ihr zum Strand herunter. Schweigend, düster – mit sehr energischem Kinn und mürrischem Gesicht. Er hatte etwas von einem Urweltaffen an sich.
Sie sagte:
»Tony, Liebster – mein Zigarettenetui…«
Er hielt es ihr hin – gab ihr Feuer – half ihr, die Träger ihres weißen Badeanzugs von den Schultern zu streifen. Mit ausgebreiteten Armen lag sie in der Sonne. Er saß neben ihr wie ein wildes Tier, das seine Beute bewacht.
Pamela sagte etwas leiser:
»Wissen Sie, die beiden interessieren mich schrec k lich… Er ist so ein Primitiver! So schweigsam und – i r gendwie lauernd. Wahrscheinlich hat eine Frau wie sie das gern. Es muss wie Tigerbändigen sein. Ich frage mich, wie lange das hält. Sie hat sie immer bald satt, vor allem neuerdings. Wenn sie versucht, ihn loszuwerden, könnte er gefährlich werden.«
Ein weiteres Paar kam zum Strand herunter – ziemlich schüchtern. Es waren die Neuankömmlinge vom Vo r abend, Mr Douglas Gold und seine Frau, wie Miss Lyall bei ihrer Inspektion des Hotelregisters herausgefunden hatte. Sie wusste auch – weil die italienischen Gesetze das verlangten – Vornamen und Alter, wie man sie vom Pass ins Register eingetragen hatte. Mr Douglas Cameron Gold war einunddreißig, Mrs Marjorie Emma Gold fün f unddreißig.
Miss Lyalls Hobby war, wie gesagt, das Studium der Menschen. Im Gegensatz zu den meisten Engländern war sie fähig, Fremde sofort anzusprechen, und wartete nicht vier Tage bis eine Woche, um den ersten zaghaften Vo r stoß zu wagen, wie es in England üblich ist. Als sie daher das leichte Zögern und Mrs Golds Schüchternheit b e merkte, rief sie:
»Guten Morgen. Ein herrlicher Tag, nicht wahr?«
Mrs Gold war eine kleine Frau – unscheinbar wie eine Maus. Sie sah nicht schlecht aus, ihre Züge waren rege l mäßig und ihre Gesichtsfarbe rosig. Aber sie hatte etwas Misstrauisches und Unauffälliges, so dass man sie leicht übersah. Ihr Mann dagegen sah auffallend gut aus auf fast theatralische Art: sehr blond, mit dichtem Lockenhaar, blaue Augen, breite Schultern, schmale Hüften. Er wirkte eher wie ein jugendlicher Liebhaber auf der Bühne als im wirklichen Leben, aber sobald er den Mund aufmachte, verschwand dieser Eindruck. Er war ganz natürlich und nicht eingebildet, ja, vielleicht sogar ein wenig dumm.
Mrs Gold sah Pamela dankbar an und setzte sich neben sie.
»Sind Sie schön braun! Ich fühle mich dagegen ganz minderwertig!«
»Man muss sich schrecklich viel Mühe geben, um gleichmäßig braun zu werden«, seufzte Miss Lyall.
Sie schwieg ein Weilchen und fuhr dann fort:
»Sie sind erst angekommen, nicht wahr?«
»Ja, gestern Abend. Wir kamen mit dem Dampfer aus Italien.«
»Waren Sie früher schon mal auf Rhodos?«
»Nein. Es ist hübsch hier, nicht?«
»Schade, dass es so weit weg ist«, bemerkte ihr Mann.
»Ja, wenn es doch näher bei England wäre – «
»Wie schrecklich«, bemerkte Sarah dumpf von ihrer Decke her. »Dann lägen die Leute Mensch an Mensch, so eng wie die Fische in der Dose.«
»Das stimmt natürlich«, gab Douglas Gold zu. »Wie u n angenehm, dass der italienische Kurs im Augenblick so hoch ist.«
»Es macht viel aus, nicht wahr ? «
Die Unterhaltung
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