Hercule Poirot schläft nie
Mann in Ruhe lassen? Ihr eigener sieht aus wie ein Gewitter.«
»Mrs Gold schwimmt gut«, sagte Poirot, aufs Meer hi n ausblickend.
»Ja, sie ist nicht wie wir, die es lästig finden, nass zu werden.«
»Ich frage mich, ob Mrs Chantry je ins Wasser geht, s o lange wir hier sind.«
»Sicherlich nicht«, bemerkte General Barnes rau. »Sie wird es nicht riskieren, dass sich ihr Make-up verwischt. Aber sie ist trotzdem eine sehr schöne Frau, wenn auch nicht mehr ganz neu.«
»Sie sieht zu Ihnen her, General«, sagte Sarah sche l misch.
»Und was das Make-up betrifft, da täuschen Sie sich: Heutzutage sind wir alle wasser- und kussecht.«
»Mrs Gold kommt heraus«, verkündete Pamela.
»Fuchs, du hast die Gans gestohlen, gib sie wieder her-«, summte Sarah.
Mrs Gold kam direkt den Strand herauf. Sie hatte eine hübsche Figur, aber ihre glatte, wasserdichte Badekappe sah wirklich nur praktisch und unvorteilhaft aus.
»Warum kommst du nicht, Douglas?«, fragte sie ung e duldig. »Das Meer ist herrlich und warm.«
»Sicher.«
Douglas Gold erhob sich hastig. Er hielt einen Auge n blick inne, und Valentine Chantry sah mit einem süßen Lächeln zu ihm auf.
»Au revoir«, sagte sie.
Gold und seine Frau gingen ins Wasser.
Sobald sie außer Hörweite waren, bemerkte Pamela kr i tisch: »Ich glaube nicht, dass das klug war. Einer Frau den Ehemann wegzunehmen, ist immer schlechte Politik. Es wirkt so besitzergreifend. Und Ehemänner hassen das.«
»Sie scheinen ja von Ehemännern viel zu verstehen, Miss Pamela«, sagte General Barnes.
»Von denen anderer Leute – nicht von meinem eig e nen!«
»Aha! Das ist ein Unterschied.«
»Ja, General, aber so habe ich schon viele Spielregeln kennen gelernt.«
»Nun«, bemerkte Sarah, »ich würde schon mal auf ke i nen Fall so eine Badekappe tragen…«
»Die ist doch sehr vernünftig«, sagte der General. »Scheint überhaupt eine nette, vernünftige kleine Frau zu sein.«
»Das ist sie bestimmt, General«, antwortete Sarah. » A ber Sie wissen, dass die Vernunft einer vernünftigen Frau ihre Grenzen hat. Ich habe das Gefühl, sie wird nicht so vernünftig sein, wenn es sich um Valentine Chantry ha n delt.«
Sie wandte den Kopf und fügte leise hinzu:
»Seht ihn euch an! Ist der wütend! Er macht den Ei n druck, als hätte er ein gefährliches Temperament…«
Kapitän Chantry sah tatsächlich grollend hinter dem Ehepaar her, auf eine höchst unangenehme Weise.
Pamela sah zu Poirot auf. »Nun? Welchen Vers machen Sie sich drauf?«
Hercule Poirot antwortete nicht, sondern zeichnete nur eine Figur in den Sand. Wieder das Dreieck.
»Das ewige Dreieck!«, sagte Pamela nachdenklich. »Vie l leicht haben Sie Recht. Falls es stimmt, werden die näch s ten Wochen ganz schön aufregend sein.«
Hercule Poirot war von Rhodos enttäuscht. Er war zum Urlaub machen hergekommen und um sich zu erholen. Vor allem vom Verbrechen. Im späten Oktober, hatte man ihm versichert, sei Rhodos fast menschenleer, ein friedliches, abgeschiedenes Fleckchen Erde.
Das stimmte eigentlich auch. Die Chantrys, die Golds, Pamela und Sarah, der General, er selbst und zwei itali e nische Ehepaare waren die einzigen Gäste. Aber inne r halb dieses kleinen Kreises glaubte sein kluger Verstand bereits die ersten Schatten zu sehen, die ein unvermeidl i ches Drama vorauswarf.
»Ich denke nur noch an Verbrechen«, schimpfte er sich aus. »Ich habe eine schlechte Verdauung und bilde mir schon die seltsamsten Dinge ein.«
Trotzdem – er machte sich Sorgen.
Eines Morgens kam er auf die Terrasse hinunter und stieß dort auf Mrs Gold, die stickte. Während er auf sie zuschritt, glaubte er ein Batisttaschentuch aufblitzen zu sehen, das Mrs Gold hastig wegsteckte.
Mrs Golds Augen waren trocken, glänzten aber ve r dächtig. Ihr Benehmen kam ihm etwas zu fröhlich vor. Die Heiterkeit wirkte eine Spur übertrieben.
»Guten Morgen, Monsieur Poirot!«, rief sie so gezwu n gen munter, dass ihm Zweifel kamen.
Er merkte, dass sie keineswegs so erfreut über sein E r scheinen war, wie sie tat. Schließlich kannte sie ihn nicht besonders gut. Und obwohl Hercule Poirot ein eingebi l deter kleiner Mann war, wenn es um seinen Beruf ging, so war er sehr bescheiden, was die Einschätzung seiner privaten Vorzüge anbetraf.
»Guten Morgen, Madame«, antwortete er. »Wieder ein herrlicher Tag.«
»Ja, wie schön. Aber Douglas und ich haben mit dem Wetter immer Glück.«
»Ach, tatsächlich?«
»Ja. Wir haben
Weitere Kostenlose Bücher