Hercule Poirot schläft nie
nette kleine Frau!«, rief sie. »Die Männer mögen unscheinbare Frauen – aber wenn es um die Hauptsache geht, gewinnen immer die aufgedonne r ten Puppen, ohne auch nur einen Finger zu rühren. Tra u rig, aber wahr!«
»Mademoiselle«, sagte Poirot. Seine Stimme klang brüsk. »So was schätze ich nicht.«
»Nein? Ich auch nicht. Ach, seien wir ehrlich, wah r scheinlich gefällt mir so was doch. Man hat auch eine schlechte Seite, die sich freut, wenn Freunde Unfälle oder Pech haben oder ihnen was Unangenehmes zustößt.«
»Wo steckt denn Kapitän Chantry?«, fragte Poirot.
»Am Strand, wo ihn Pamela auseinander nimmt. Und es genießt, falls Sie es wissen wollen. Seine Laune wird d a durch nicht besser. Er sah wieder aus wie ein Gewitter. Da gibt’s noch Krach, das können Sie mir glauben.«
»Etwas verstehe ich einfach nicht…«, brummte Poirot.
»Zu verstehen ist es ganz leicht«, sagte Sarah. »Aber was passiert – das ist die Frage.«
Poirot schüttelte den Kopf.
»Wie Sie sagen, Mademoiselle, es ist die Zukunft, die mich beunruhigt.«
»Das haben Sie hübsch gesagt«, meinte Sarah und ging hinein.
Unter der Tür stieß sie mit Gold zusammen. Der junge Mann sah sehr zufrieden mit sich aus, wirkte aber gleic h zeitig leicht schuldbewusst.
»Hallo, Monsieur Poirot«, sagte er und fügte selbsts i cher hinzu: »Ich habe Mrs Chantry die Mauern aus der Ritterzeit gezeigt. Marjorie hatte keine Lust, mitzuko m men.«
Poirots Brauen hoben sich etwas, aber selbst wenn er gewollt hätte, wäre ihm keine Zeit für eine Antwort geblieben. Valentine Chantry fegte auf die Terrasse und rief mit ihrer hellen Stimme:
»Douglas, einen Pink Gin! Wirklich, ich brauche dri n gend einen Pink Gin!«
Douglas Gold verschwand, um den Cocktail zu beste l len. Valentine sank neben Poirot in einen Sessel. An di e sem Vormittag wirkte sie besonders strahlend.
Als sie sah, dass ihr Mann und Pamela vom Strand h e raufkamen, winkte sie ihnen zu und rief:
»Bist du schön geschwommen, Tony, Liebster? Ist der Morgen nicht herrlich?«
Kapitän Chantry antwortete nicht. Er eilte die Stufen hinauf, ging schweigend, ohne sie eines Blickes zu würd i gen, vorbei und verschwand in der Bar. Seine Hände w a ren geballt, was seine leichte Ähnlichkeit mit einem Gori l la noch verstärkte. Valentine Chantrys vollkommener, doch etwas dümmlich wirkender Mund klappte auf. »Oh!«, sagte sie ziemlich geistlos.
Pamela Lyalls Gesicht verriet, dass sie die Situation sehr genoss. Sie verstellte sich, so gut ihr das bei ihrer Einfall s losigkeit möglich war, setzte sich zu Valentine Chantry und fragte: »Haben Sie einen schönen Vormittag ve r bracht?«
Während Valentine antwortete: »Einfach herrlich. Wir…« stand Poirot auf und schlenderte seinerseits lan g sam auf die Bar zu. Der junge Gold stand mit gerötetem Gesicht an der Theke und wartete auf seinen Pink Gin. Er wirkte beunruhigt und wütend.
»Der Mann ist ein Rohling!«, sagte er zu Poirot und wies mit dem Kopf in die Richtung, in der Kapitän Chantry gerade verschwand.
»Möglich«, sagte Poirot. »Ja, das ist gut möglich. Aber die Frauen, les femmes, ihnen gefallen sie, denken Sie i m mer daran.«
»Es würde mich nicht wundern, wenn er sie missha n delte«, brummte Gold.
»Vielleicht gefällt ihr das auch.«
Gold starrte ihn verblüfft an, nahm das Glas mit dem Pink Gin und ging hinaus.
Hercule Poirot schob sich auf einen Barhocker und b e stellte einen sirop de cassis. Während er ihn mit begeisterten Seufzern schlürfte, kam Chantry herein und trank rasch hintereinander mehrere Pink Gin.
Plötzlich rief er wütend, mehr ins Leere gesprochen, als an Hercule Poirots Adresse:
»Wenn Valentine glaubt, sie kann mich loswerden wie die vielen anderen Idioten, dann täuscht sie sich. Sie g e hört mir, und ich werde sie behalten. Ein anderer b e kommt sie nicht – nur über meine Leiche.«
Er warf ein paar Geldstücke auf die Theke, machte auf dem Absatz kehrt und lief hinaus.
Drei Tage später fuhr Hercule Poirot auf den Berg des Propheten. Es war eine kühle, angenehme Fahrt durch goldgrüne Fichten, höher und immer höher hinauf, weit über das kleinliche Gewimmel der Menschen hinaus. Der Wagen hielt vor dem Restaurant. Poirot stieg aus und wanderte durch den Wald. Schließlich erreichte er eine Stelle, die tatsächlich der höchste Punkt der Erde zu sein schien. Tief unter ihm schimmerte das Meer in gleiße n dem Blau.
Hier hatte er endlich Ruhe – fern
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