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Hermann Hesse Sein Leben und sein Werk

Hermann Hesse Sein Leben und sein Werk

Titel: Hermann Hesse Sein Leben und sein Werk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hugo Ball
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Gegensätze, alle jene Gegensätze, die
    Hesse in seinem »Kurgast« unter jener »Doppelmelodie« begreift,
    deren Ausgleich, deren Vereinigung ihm Mühe und Verzweiflung
    bereite –: alle diese feindlichen Brüder und Gegenpole zerreißen
    einander, statt sich zu fördern.
    Die Blütezeit des theologischen Stifts war vorbei, als Hesse 1895
    nach Tübingen kam. Er, der gegen Gebote sich so widerspenstig
    verhalten hatte, weil es zuviel davon gab; der sich »von Natur ein
    Lamm und lenksam wie eine Seifenblase« nennt, besteht jetzt seine
    dreijährige Lehrzeit so treu und unvermahnt, wie ein junger Mensch
    sie bestehen kann. Leider nur sind die Zeiten, da in Tübingen noch
    Propheten zu finden waren, da Hölderlin an Hegel und Hegel an
    Schelling die Parole vom Reich Gottes als Gruß und Schwur
    weitergaben –, nur eben sind diese Zeiten vorbei. Von Ludwig Finckh
    abgesehen hat Hesse dort keinen Kameraden, keinen namhaften
    Freund, keinen Genossen gefunden, der an dieser Stelle zu nennen
    wäre. Die »Tübinger Erinnerung«, die in den »Lauscher«
    aufgenommen ist, beschäftigt sich mit dem Gedanken, »ein
    Kollegium von Ausgetretenen aus allen fashionablen Verbindungen
    oder von Rettungslosen aus allen Fakultäten« zu gründen. Die sanft
    gehügelte Neckarstadt gehört der Vergangenheit an. Die Alma Mater
    hat ein bedenkliches Gesicht bekommen. Was an unverwelklichen
    Erinnerungen noch ihren Busen ziert, das schleift in Blut und wird
    zertreten. »Es war mein Glück und meine Wonne«, sagt Hesse im
    »Lebenslauf«, »daß im Haus meines Vaters die gewaltige
    großväterliche Bibliothek stand, ein ganzer Saal voll alter Bücher, der
    unter anderem die ganze deutsche Dichtung und Philosophie des
    achtzehnten Jahrhunderts enthielt.« Mit den Hinweisen dieser

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    Bibliothek kommt Hesse nach Tübingen. Von den Beständen nennt er
    Goethe,
    Gellert,
    Weiße,
    Hamann,
    Jean
    Paul,
    Hettners
    Literaturgeschichte, einiges von David Fr. Strauß »und vieles
    andere«. Die Autoren also, die ihm in Calw schon wichtig wurden,
    sind bald wie Turmuhren gespreizt und bedächtig, bald
    anakreontisch vertändelt, bald in den Sinnen gewitzigt, bald haben
    sie das Herz so voll, daß es überfließt, wenn man sie anstößt.
    In dieser großväterlichen Bibliothek waren die Philosophen erbitterte
    Aufklärer und Federfuchser, und ihre Wirksamkeit war am
    Schwabenlande nicht spurlos vorübergegangen. Ihrer Bekämpfung
    diente ein Großteil der väterlichen Bemühungen; ihre Argumente
    aber kamen aus jenem Kult der fünf Sinne, der bei Voltaire und dem
    Abbé Galiani und dann bei Goethe und Nietzsche bedeutsam wurde.
    Wenn einer jener Franzosen schrieb: »dem Menschen sind fünf Sinne
    gegeben, daß sie ihm Freude und Schmerz vermitteln, kein einziger,
    der ihn das Wahre vom Falschen unterscheiden ließe. Der Mensch ist
    weder da, die Wahrheit zu erkennen, noch getäuscht zu sein. Das ist
    so gleichgültig. Er ist da, sich zu freuen und zu leiden. Genießen wir
    also und versuchen wir, nicht zu leiden. Das ist unser Los« –: so
    klingt dieser poetische Sensualismus bereits, als vernähme man
    Goethe selbst oder den Anti-Intellektualisten und »Wahrheits«-
    Bekämpfer Nietzsche; ja als vernähme man bereits den Hesse des
    »Siddhartha«-Schlusses und skeptischen Verfasser des »Kurgast«.
    Der epische Bestand zeigt neben Goethe den in die Parabel
    verliebten Gellert; einen Gellert, der sich auf frische und blühende
    Predigten stützt, auf eine Technik, die immer greifbar bleibt, die
    immer aus dem Nächsten schöpft. Seine Sprache ist für das Ohr,
    nicht für das Auge berechnet; die Phantasie des Hörers soll mit
    kleinen Geschichten und sinnfälligen Beispielen delektiert und
    beschäftigt werden: Dinge, die in Hesses »Märchen« und mehr noch
    in seiner mündlichen Rede wiederkehren. Und diese Bibliothek
    enthielt bereits Jean Paul, für den Hesse unermüdlich als für den
    spezifischsten deutschen Poeten eintritt. Eine Gesamtausgabe Jean
    Pauls hat er in späteren Jahren immer wieder angeregt und
    befürwortet; den »Titan« und den »Siebenkäs« selbst ediert und mit
    Begleitworten versehen. Mit der »Badreise des Dr. Katzenberger«
    vergleicht er seinen »Kurgast«; um aber gleichzeitig zu gestehen,

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    daß er sich vorkomme wie ein Mann, der dem Paradiesvogel einen
    Spatzen nachsende und dem Stern eine Rakete. Von ihm, Jean Paul,
    ist Hesse überzeugt, daß in einem seiner Hosenbeine die ganze
    moderne Literatur könne

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