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Hermanns Bruder - wer war Albert Göring?

Hermanns Bruder - wer war Albert Göring?

Titel: Hermanns Bruder - wer war Albert Göring? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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nach, als sei sie in ein konspiratives Treffen hineingeraten.
    »Weil ich nicht sprechen kann«, versetzt er schroff.
    »Was haben sie im Krankenhaus zu deiner Stimme gesagt?«
    »Dass sie wunderschön ist.«
    »Wann bekommst du sie wieder?«
    »In ein paar Tagen.«
    »Ein paar Wochen?«
    »Ein paar Tagen!«, korrigiert er sie, so laut er kann.
    »Ach, Tagen. Ich mag nun mal nicht Lippen lesen.«
    »Was magst du nicht?«
    »Ich höre lieber.«
    »Tut mir leid, damit kann ich nicht dienen.«
    Nach diesem kleinen Schlagabtausch ist Jacques’ Stimme noch heiserer als vorher. Dennoch fährt er mit seiner Geschichte fort. »Wir hatten da einen Lehrer, der sofort nach dem ›Anschluss‹ anfing, das Hakenkreuz zu tragen. Und der erwischte sie [die Klassenrowdys] jetzt, wie sie den Streber über den Hof jagten, und knöpfte sie sich vor. Er sagte: ›Das ist nicht der wahre Nationalsozialismus. Es geht nicht darum, Menschen zu unterdrücken.‹« Es sollte sich noch herausstellen, wie sehr dieser Lehrer sich irrte. »Ich glaube, eine Menge Leute wussten nicht, was passieren würde«, fügt Jacques hinzu. »Sie wussten nicht, wie schlimm alles werden würde.«
     
    Doch selbst auf den Straßen Wiens waren bestimmte Anzeichen der Unterdrückung durch die Nationalsozialisten nicht zu übersehen. Immer wieder kam es vor, dass SA-Angehörige oder Zivilisten die jüdische Bevölkerung öffentlich demütigten, zum Beispiel, indem sie orthodoxen Juden die
Pejes,
die Schläfenlocken, abschnitten. Ein besonders sadistisches Ritual bestand darin, Menschen auf Knien die gepflasterten Straßen schrubben zu lassen.
    »Einmal erlebte Albert Göring eine dieser Szenen«, erinnert sich Jacques. Er hat diese Geschichte von seinem Stiefvater gehört. »SA-Soldaten und eine Menschenmenge standen um ein paar ältere Damen herum, die die Straße schrubbten, feuerten sie an und verspotteten sie. Göring kam also dazu. Er zog seine Jacke aus. Schnappte sich eine der Bürsten, kniete sich hin und fing an zu schrubben. Und als ein SS-Mann ihn packte und nach seinen Papieren fragte und als er sie ihm zeigte, da war die ganze Chose sofort beendet.« 56
    Für jeden anderen wäre dieses Eingreifen Selbstmord gewesen. Die Angst, Prügel einzustecken, es den Gedemütigten gleichtun zu müssen oder, noch schlimmer, selbst aus der Gemeinschaft ausgeschlossen und als einer von »denen« behandelt zu werden, hielt jeden Normalsterblichen davon ab, sich einzumischen. Doch Albert Göring war nicht irgendein Normalsterblicher. Er trug einen der größten Namen der NS-Elite, und zugleich scheute er sich nicht, diesen Namen mit seinen Hilfsaktionen in Verbindung zu bringen. Trotz seines gehobenen Status sollte man nicht verkennen, wie mutig er sich verhielt. Göring oder nicht – wer öffentlich die Autorität auch des kleinsten SA-Schergen in Frage stellte, konnte mit körperlichen Misshandlungen oder einer Verhaftung rechnen. Jüdische Überlebende berichten einhellig, dass es selbst für jemanden wie Albert Göring nicht leicht war, sich zu widersetzen.
    Bei dem nächsten Einsatz für die entrechteten Bürger Wiens wurde Albert tatsächlich von der Gestapo verhaftet. Er war einer »75-jährigen Großmutter« zu Hilfe geeilt, deren Enkel das »Farbengeschäft S. Raber in der Wehringerstraße« betrieb, das von Schaulustigen belagert wurde. Einige SA-Schläger demütigten unter den Anfeuerungsrufen der Menge die alte Frau und hängten ihr ein Schild mit der Aufschrift »Ich bin eine Saujüdin« um den Hals. Als Albert begriff, was vor sich ging, war er fassungslos. Sofort regte sich sein Impuls, das Unrecht ausgleichen zu wollen. Er »boxte sich durch die Menge« in das Zentrum des Geschehens vor. 57 »Ich ging sofort hinein und befreite sie, und dabei kam es zum Handgemenge mit zwei SA-Männern; ich schlug sie und wurde sogleich verhaftet«, gab Albert während einer Vernehmung in Nürnberg gegenüber Lieutenant William (Bill) Jackson zu Protokoll. 58
    Anders als die meisten Unglücklichen musste Albert Göring die Gastfreundschaft der SS nicht allzu lange auskosten.Sein Nachname und seine einflussreichen Freunde sorgten dafür, dass er gleich wieder freigelassen wurde – jedoch nicht ohne die Warnung, dass sich so etwas nicht wiederholen dürfe. 59 Offenbar nahm er sich die Drohung nicht allzu sehr zu Herzen, denn dieses Spiel, dass Haftbefehle ausgestellt und wieder zurückgenommen wurden, wiederholte sich im Laufe des Krieges insgesamt vier Mal.
     
    Es

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