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Hermanns Bruder - wer war Albert Göring?

Hermanns Bruder - wer war Albert Göring?

Titel: Hermanns Bruder - wer war Albert Göring? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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wieder ab. Dieses Erlebnis und die Berichte von Gräueltaten im Nordosten machten den Benbassats klar, dass Rumänien für sie zu gefährlich wurde. Bestechungsgelder und Albert Görings Einfluss würden sie nicht ewig schützen können. Also musste die Familie ein zweites Mal fliehen. Wieder wählten sie eine Diktatur als neue Heimat: Francos Spanien. Francisco Franco zeigte sich den europäischen Juden gegenüber wohlgesonnen. Er verfügte, dass Juden, die nachweislich aus Spanien stammten – zum Beispiel entsprechende Sprachkenntnisse vorweisen konnten –, spanische Staatsbürger werden durften. Da Jacques’ Stiefvater von den Sephardim abstammte (von der Iberischen Halbinsel stammende Juden, die im Mittelalter von dort vertrieben wurden) und noch immer eine alte Variante des Spanischen beherrschte, bekamen seine Familie und er die Staatsbürgerschaft verliehen. Nun brauchten sie noch ein Ausreisevisum für Rumänien sowie Transitvisa für Ungarn, Kroatien, Italien, die Schweiz und Vichy-Frankreich. Diese Visa sowie Devisen für die Reise besorgte ihnen der Liste der Geretteten zufolge Albert Göring. 63
    Auf der Reise mussten sich die Benbassats wie spanische Staatsbürger verhalten, vor allem also ausschließlich Spanisch sprechen. Jacques hatte an der spanischen Botschaft in Bukarest Unterricht genommen und beherrschte die Sprache einigermaßen, doch manchmal verfiel er unwillkürlich in die deutsche Sprache zurück, erinnert er sich. Zum Glück war dann immer seine Mutter zur Stelle und rückte ihm mit einem kräftigen Klaps den Kopf zurecht. Bis auf diese Unannehmlichkeiten und gelegentliche Probleme mit dem gefälschten chilenischen Pass seiner Großmutter verlief die Fahrt bis zu ihrer ersten Zwischenstation in Venedig einigermaßen reibungslos. Dort erwartete sie mit einer Suite in einem der schönsten Hotels der Stadt Albert Göring. »Er wollte sich nur vergewissern, dass wir gut angekommen waren«, schmunzelt Jacques.
    Von Venedig aus fuhren sie mit dem Nachtzug über Mailand in das sichere Genf. Es sollte nach kurzem Aufenthalt weitergehen, doch eine Entzündung am Fuß von Albert Benbassat hielt sie auf. Noch während er in Behandlung war, besetzte Hitler am 11. November 1942 zusammen mit Italien den bis dahin halbautonomen Südteil Frankreichs. Damit waren die Transitvisa der Familie für Vichy-Frankreich ungültig geworden, und sie mussten die letzten Kriegsjahre in der Schweiz verbringen. Dieses eine Mal sollte eine Handlung Hitlers über eine verwickelte Ereigniskette den Benbassats tatsächlich zugutekommen.
    Denn die Familie war in der Schweiz nicht ganz hoffnungslos gestrandet: »Albert Göring half Juden in Rumänien und anderen von Deutschland besetzten Ländern, ihr Geld in die Schweiz zu transferieren. Und in unserem Fall bedeutete das, dass wir in der Schweiz ein Konto hatten, als wir dort ankamen.« 64
     
    So verschlafen und friedlich der Flughafen von Greenville bei meiner Ankunft war, so hektisch und chaotisch ist er jetzt. Die Schlange vor einem der Check-Ins geht fast bis zur Tür. Die Airline-Mitarbeiter haben ein Festnetztelefon an dem einen, ein Handy am anderen Ohr und lauschen mit dem dritten ihren aufgebrachten Kunden. Trotz allem scheint zunächst alles bestens zu sein: Für meinen Flug ist keinerlei Verspätung gemeldet. Doch am Gate sieht die Sache schon anders aus. Ein Gewitter in Washington D.C. hat offenbar ein Chaos ausgelöst und wird unweigerlich verhindern, dass ich dort meinen Anschlussflug nach London erwische.
    »Wann geht denn der nächste Flug nach London?«, frage ich eine Mitarbeiterin der Fluggesellschaft am Gate. »Wie wäre es mit Samstag?«, sagt sie. Heute ist Dienstag. Okay, kriege ich ein Hotel? Nein, die Airline kann für höhere Gewalt keine Haftung übernehmen. Was ist mit Wartelisten für andere Flüge? Nein, das funktioniert nurvon Washington aus. Und Essen? Tut uns leid, die Läden sind schon zu. Willkommen in der Flughafenhölle!
    Wenn man erst einmal die Sicherheitskontrollen hinter sich hat, sind Flughäfen auf der ganzen Welt einander ähnlich: ein gesichtsloses Niemandsland zwischen dem Bekannten und dem (noch) Unbekannten. Sie sind, wie Krankenhäuser, wahre Schmelztiegel, in denen sich die unterschiedlichsten Lebenswege unvermittelt kreuzen. Manchmal kann das rührend sein: Die Wiedersehens- und Abschiedsszenen auf Flughäfen sind besser als jeder Hollywoodfilm. Doch wenn das ganze System in sich zusammenbricht, wenn arrogantes Personal,

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