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Hermanns Bruder - wer war Albert Göring?

Hermanns Bruder - wer war Albert Göring?

Titel: Hermanns Bruder - wer war Albert Göring? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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ich mich von der Siegesgewissheit, von dem neuen, selbstbewussten Gefühl der Zusammengehörigkeit anstecken und singe mit meinen Freunden: »Berlin, Berlin, wir fahren nach Berlin!«
    Am nächsten Tag mache ich mich, noch ein wenig benommen und mit verquollenen Augen, auf den Weg zur Dönerbude. Die Straßen sehen aus … tja, wie sie immer aussehen: wie geleckt. Keine einzige Bierflasche, und schon gar kein umgeworfener Bus, stört die makellose Ordnung. Offenbar waren schon frühmorgens die Heinzelmännchen unterwegs. Dennoch ist etwas von der Stimmung der vergangenen Nacht auch heute noch zu spüren. Auf der Goethestraße begegne ich einer radfahrenden Mutter, die für ihre zwei in voller Fanmontur gekleideten Kinder im Fahrradanhänger Fratzen schneidet. Ein Studentenpärchen, er mit Dreadlocks und ohne Hemd, sie im wehenden violetten Kleid, flaniert, Eis essend und kichernd, unter einem Triumphbogen aus Ahornlaub hindurch. Ganz Deutschland, so scheint es, ist in den Flitterwochen.
    Ich holpere über die Straßenbahnschienen und stelle mein Fahrrad vor der Dönerbude ab. Emre ist heute da. Der unschlagbare Preis von zwei Euro pro Döner hat dafür gesorgt, dass Emre und ich gute Bekannte sind. Er ist mit zwölf Jahren nach Deutschland gekommen, als die Familie ihn für alt genug befand, bei seinem Onkel auszuhelfen. Jetzt, mitsechzehn, verbringt er einen Großteil seiner Nachmittage und Wochenenden hier im Laden, serviert frischen Döner und flirtet mit der weiblichen Kundschaft. Wir erzählen einander gern von der jeweiligen Heimat. Er schwärmt dann von seinem Leben in Istanbul, von den katzenäugigen Schönheiten, dem azurblauen Marmarameer, und natürlich von den Siegen der türkischen Nationalmannschaft. Und ich krame die Klischees meiner eigenen Heimat hervor: die blonden Strandnixen, Kylie Minogue und vor allem die Kängurus – von diesen hüpfenden zoologischen Kuriositäten bekommt Emre nie genug. Auf ganz eigene Weise verstehen wir einander sehr gut: Wir sprechen beide ein gebrochenes Deutsch mit starkem Akzent, er ein wenig gewandter als ich, und irgendwie tragen diese sprachlichen Hindernisse dazu bei, dass wir uns umso ungezwungener unterhalten.
    Emre hat genauso dunkle Ringe unter den Augen wie ich, also frage ich, was ihn gestern wach gehalten hat. »Das Spiel!«, sagt er mit einem Gesichtsausdruck, als käme ich vom Mars. – »Tja, war ’ne tolle Nacht. Vielleicht ein bisschen
zu
toll«, füge ich hinzu, als mir ein säuerlicher Nachgeschmack die Kehle hochsteigt. Wie sich herausstellt, war auch Emre bis in den Morgen auf dem spontanen Volksfest in Freiburgs Straßen. Da die Türkei an der Qualifikation gescheitert ist, habe ich versucht herauszufinden, hinter welchem Team Emre steht. Jedes Mal, wenn ich ihn fragte, hielt er sich bedeckt. Aber als ich heute noch einmal nachhake, ruft er: »Deutschland natürlich!«
    Der Zug hat Verspätung – volle fünf Minuten. »Scheiiße«, stöhnt ein Anzugträger zu meiner Rechten mit einem Gesicht, als sei ihm gerade der Weltuntergang verkündet worden. Für mich ist der verspätete ICE eine echte Bereicherung: Die paar Minuten Wartezeit werden den Fahrgästen mit kostenlosem Kaffee, Orangensaft und kleinen Snacks versüßt. Die mit der Verteilung beauftragte Bahnangestellte hat die Augen fest auf ihren Rollwagengeheftet, um den grimmigen Blicken der Passagiere auszuweichen. Viele ignorieren ihr Versöhnungsangebot, als sei es nur eine weitere Zumutung. Endlich fährt der windschnittige ICE in den Bahnhof ein und verscheucht die feindselige Stimmung.
    Ich fahre nach Berlin, allerdings nicht zum Finale, sondern um dort einen alten Freund wiederzusehen. Die große WM-Party ist schon seit Monaten vorbei, seit Deutschland in Dortmund das Halbfinalspiel gegen Italien verloren hat. Die Angriffslust des deutschen Teams, seine flüssigen Kombinationen und seine spielerische Eleganz hatten gegen die brettharte Abwehr und die hoch schematischen Angriffe der Italiener keine Chance; was für eine Ironie. Es war ein trauriger Tag. Ich hatte im Irish Pub die Abendschicht und damit einen erstklassigen Blick auf die hoffnungsvollen Gesichter der Gäste. Zwei in der Nachspielzeit gefallene Tore später sah es im Pub wie bei einem Begräbnis aus. Ausgewachsenen Männern liefen schwarz-rot-goldene Schlieren die Wangen hinunter. Sie weinten nicht so sehr vor Trauer als vor Entsetzen leise vor sich hin – ihr Optimismus war so groß gewesen, dass eine Niederlage einfach

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