Herr aller Dinge - Eschbach, A: Herr aller Dinge
nicht so in Erinnerung behalten. »Nun sag schon. Wer ist das Mädchen?«
Ihr Name war Lilith, entnahm sie seinem wirren Herumgedruckse. Ihrem Vater gehörte das Auktionshaus, in dem Gary arbeitete. Sie würde es einmal erben, und Charlotte solle das nicht falsch verstehen, aber das sei eben eine sichere Sache, was ganz anderes als seine Bastelei hier oben in der schottischen Provinz …
»… und außerdem war ich mir sicher, dass du eh nicht zurückkommst«, schloss Gary lahm. »Eine Auszeit – man weiß doch, was das heißt. War ja auch klar, dass eine wie du nicht mit einem wie mir …« Er verstummte, als sei sein Vorrat an Worten erschöpft. Von der Dachtraufe fiel ein übrig gebliebener Regentropfen auf seinen Kopf herab, brachte ihn zum Blinzeln, aber nicht dazu weiterzureden.
»Und da hast du dir gesagt, warum warten?« Charlotte betrachtete den Mann, mit dem sie über zwei Jahre zusammengelebt, den sie geliebt hatte, und wusste, dass es vorbei war.
Er sagte nichts. Sie umarmte ihn. Er ließ es verwirrt geschehen, versuchte unbeholfen, die Geste zu erwidern.
»Macht es gut«, sagte sie leise. »Ich lass dich wissen, wohin du meine restlichen Sachen schicken kannst, sobald ich es selber weiß.«
Dann holte sie, von dem mageren Mädchen aus verschreckten Augen beobachtet, ihre Koffer. Auf der Straße zückte sie ihr Telefon und die Visitenkarte.
Sie erreichte den Taxifahrer auf dem Rückweg nach Aberdeen. »Das ging aber schnell«, meinte er nur.
UNTERWEGS
A damson fragte sich einmal mehr, wie Rhonda tagtäglich mit den Zwillingen zurechtkam. Er war schon von dem bloßen Versuch, Mia zu kämmen, in Schweiß gebadet. Und das, obwohl er billigend in Kauf nahm, dass ihre Zwillingsschwester Jane sich währenddessen mit dem teuren Shampoo ihrer Mutter verlustierte, was vermutlich damit enden würde, dass sie das saubere Kleid, das er ihr mit viel Mühe angezogen hatte, wieder schmutzig machte. Konzentration auf jeweils eine Aufgabe, die fundamentale Weisheit aller Managementlehren: In einem Haushalt mit zwei vierjährigen Kindern war das ein Witz.
»Jetzt halt doch mal still«, verlangte er und hob die Bürste in dem hilflosen Versuch, so etwas wie eine Drohgebärde ins Spiel zu bringen.
»Das ziept aber so«, protestierte Mia und sah ihn mit großen Augen an.
Er ließ die Bürste wieder sinken. Es half alles nichts, die beiden Mädchen wickelten ihn um den Finger, wie sie es brauchten.
Klar ziepte das. Die Zwillinge hatten die Locken ihrer Mutter geerbt, die sich auch jeden Morgen fluchend vor dem Spiegel damit abquälte und allein für ihre Haare mehr Zeit brauchte als er für seine gesamte Morgentoilette.
»Jane«, schaltete er sich nun doch ein, »lass das. Das ist Mummys Shampoo. Sie will nicht, dass du damit spielst. Wasch die Hände ab, los.«
Multitasking. Erwiesenermaßen ineffizient – ein Manager,der sich dazu bekannte, disqualifizierte sich als Wichtigtuer –, aber im Umgang mit Kindern die einzig mögliche Strategie.
Nun steckte auch noch Rhonda den Kopf ins Bad. »Warst du gestern eigentlich beim Arzt?«, wollte sie wissen. Im Gesicht und auf der Kittelschürze hatte sie Flecken irgendeiner grauweißen, unappetitlich aussehenden Masse, die vermutlich zu dem Rezept gehörten, das sie gerade ausprobierte.
»Klar«, sagte er. »Du hast da übrigens was im Gesicht.«
Rhonda verdrehte die Augen. »Ich hab überall was. Wenn ich mit der Pastete fertig bin, müssen wir die gesamte Küche rausreißen und eine neue einbauen lassen. Und, was hat er gesagt?«
»Na, was soll er gesagt haben? Alles okay. Wenn ich morgen auf einen Achttausender steigen, in den Weltraum fliegen oder das Tiefseetauchen anfangen wollte, hätte ich seinen Segen.«
Sie stieß einen ächzenden Laut aus. »Ist die Welt nicht ungerecht? Unsereins plagt sich ab mit Sport und Gymnastik, mit Diäten hier, Diäten da und gerät immer mehr aus der Form, und so ein Typ wie du, der sich nicht aus dem Sessel rührt und isst wie ein Scheunendrescher, kriegt die Fitness geschenkt.«
»Du gehst doch nicht aus der Form«, widersprach er. In den zurückliegenden Jahren hatte er gelernt, was sich für einen Ehemann gehörte.
»Du lügst, Bill Adamson«, erwiderte sie geschmeichelt.
Er streckte die Hand aus. »Komm, lass dir diesen Fleck auf der Nase wegmachen. Das sieht aus wie Taubenscheiße.«
»Bill! Nicht solche Wörter vor den Kindern!« Blitzartiger Programmwechsel von verliebtem Lächeln zu zornfunkelnden Blicken.
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