Herr aller Dinge - Eschbach, A: Herr aller Dinge
Untergeschoss, von dessen Existenz nicht einmal Mrs Steel etwas ahnte.
Eine Regierung freilich ließ sich nichts vormachen. Die Eindringlinge waren auch hier gewesen; eine Überwachungsanlage ähnlich der in seinem Computerzimmer zeigte es ihm.
Hatten sie nicht bemerkt, dass er selber das Labor seit ewigen Zeiten nicht mehr betreten hatte? War es ihnen egal gewesen? Hiroshi spürte einen ersten Anflug von Ärger, als er seinen Werkzeugkasten holen ging.
Der Zugang zum Labor lag hinter einem präzise eingepassten Teakholz-Paneel an einer Wand seines Meditationsraums. Den würde Mrs Steel nicht betreten, solange die Tür geschlossen war, also schloss Hiroshi sie. Dann löste er die versteckte Sperrvorrichtung, die das Paneel am Platz hielt, und untersuchte das Codeschloss auf der Stahltür dahinter. Es war unbeschädigt, sah unberührt aus. Bedenklich clever, diese Geheimdienstleute. Er tippte den Zugangscode ein, drückte die Tür auf, zog das Paneel hinter sich zu und schloss den Zugang wieder, während überall im Labor die Leuchtstoffröhren aufflammten.
Alle Wanzen, Videokameras und dergleichen zu entfernen kostete ihn eine weitere Stunde, in deren Verlauf sein Ärger spürbar anwuchs. Als der ganze Krempel endlich im Mülleimer lag, musste er sich erst einmal sammeln. Innehalten und durchatmen. Dies war ein wichtiger Moment, vielleicht der wichtigste seines Lebens. Er durfte jetzt nichts falsch machen.
Nachdem er seine Mitte wiedergefunden hatte, begann er. Er holte das Multiband-Funkgerät, das er unterwegs in einem riesigen Elektronik-Supermarkt gekauft und bar bezahlt, nach menschlichem Ermessen also anonym erworben hatte. Er stellte es auf das Abtropfblech neben dem Waschbecken und seinen Laptop daneben, schloss den Sender an den Rechner an und schaltete beide Geräte ein.
Während der Rechner hochfuhr, dachte Hiroshi an Saradkov Island. Er erinnerte sich an Kälte, daran, wie ratlos er gewesen war – und wie grenzenlos verblüfft, in welchem Ausmaß er die Naniten zu steuern in der Lage war. Es war fast gewesen, als hätte er sie selber entwickelt. Teilweise hatten sie sogar denselben Codes gehorcht, mit denen er damals auf Paliuk seinen Roboterkomplex gesteuert hatte!
Darüber hatte er in Reykjavík ganze Nächte gegrübelt: wie so etwas möglich war. Hatte er eine Funktionslogik entwickelt, die noch weitaus universeller war als gedacht, ohne dass er sich dessen bewusst gewesen war? Das wollte ihm nicht in den Kopf. Was war an einer Signalfolge wie 1-0-0-0-1-1-1-0 so allgemeingültig, so zwingend, dass sowohl er wie auch Aliens auf einem wer weiß wie weit entfernten Planeten sie als Befehl für einen Naniten-Komplex verstanden, in den Befehls-Empfangs-Modus zu gehen? Nichts. Er wusste nicht mehr, warum er diese Befehle so und nicht anders festgelegt hatte, aber er erinnerte sich noch gut, dass es eine beinahe willkürliche Zuordnung gewesen war.
Und damit war diese Koinzidenz ungefähr so erstaunlich, als hätten intelligente Wesen von einem anderen Stern eine Sonde mit einer Plakette geschickt, auf der ein Sonett von Shakespeare eingraviert war. Ganz und gar unwahrscheinlich.
Es musste eine andere Erklärung dafür geben. Er kannte sie nur nicht.
Er brauchte sie allerdings auch nicht. Es funktionierte, auch ohne dass er wusste, warum.
Hiroshi holte eine Packung hochreiner Objektträger aus dem Schrank, entfernte die Versiegelung und stellte die transparenteSchachtel neben den Computer. Der war inzwischen so weit. Hiroshi startete das Kommunikationsprogramm, tippte die Befehlsfolge ein, die er gleich brauchen würde.
Dann streifte er dünne Latexhandschuhe über, nahm einen Objektträger heraus und trat vor den Spiegel. Er hielt sich das dünne Glasplättchen mit der rechten Hand vor die Stirn, betätigte mit dem linken Zeigefinger die Returntaste, wodurch der erste Satz Befehle an das Funkgerät schickte. Reichweite zwei Meter, außerhalb seines Labors nicht mehr anzumessen.
Hiroshi spürte nichts, aber im Spiegel sah er einen winzigen dunklen Punkt auf seiner Haut entstehen, kaum größer als das, was ein weicher Bleistift hinterlassen hätte, hätte er ihn sich flüchtig gegen die Stirn getippt. Wenn er ihn nicht auftauchen gesehen hätte, hätte er ihn nicht gefunden.
Er hielt den Atem an, schob den Objektträger langsam nach oben. Als er den Punkt erreicht hatte, hielt er inne, tippte mit der anderen Hand noch einmal auf die Returntaste.
Der Punkt bewegte sich. Er verließ die
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