Herr aller Dinge - Eschbach, A: Herr aller Dinge
hinaus, gelangt man zur allgemeinen Verarbeitung: Wie gestaltenwir Dinge, wie formen wir Materie um? Meine Forschungen haben sich darauf konzentriert, auch hierfür fundamentale Prinzipien zu erarbeiten, sozusagen eine Grammatik der Verarbeitung von Materie zu erstellen. Ich konnte zeigen, dass sich alle Verarbeitungsaufgaben auf fundamentale Operationen wie Abtrennen, Verbinden, Erhitzen, Abkühlen, Identifizieren, Sortieren, Komprimieren, Energie erzeugen, Energie leiten, Steuern, Festhalten, Drehen, Bohren und so weiter zurückführen lassen …
Vorsitzender: Wäre das dann sozusagen die Kato-Maschine?
Zeuge: Wie bitte?
Vorsitzender: Sie nannten die Turing-Maschine als Beispiel.
Zeuge: Ach so. Nun, ja. Wenn Sie so wollen.
In den Befragungspausen brachten sie ihn immer in den Frühstücksraum des Hotels, dessen Rollläden Tag und Nacht heruntergelassen waren, um niemanden zu ermutigen, sich draußen mit einem Teleobjektiv auf die Lauer zu legen. Hiroshi holte sich einen Kaffee aus dem Automaten, spähte durch die Lamellen hinaus, während die Maschine sich zischend abmühte. Das anfängliche Großaufgebot der Medien war längst abgezogen; nur ein paar Reporter hielten frierend die Stellung. Auch von den Demonstranten war nur noch ein kleines Häuflein Unverzagter übrig, die auf ihren Transparenten eine »atomwaffenfreie Welt – jetzt!« forderten und »Frieden zu unserer Zeit«. In den ersten Tagen hatten sie sich einige ziemlich unfriedliche Auseinandersetzungen mit der isländischen Polizei geliefert. Die Erklärung Senator Coffeys, es handle sich nicht um Abrüstungsgespräche, sondern nur um amerikanisch-russische Konsultationen zu gemeinsamen wissenschaftlichen Projekten, war weitgehend unbeachtet geblieben.
Ein Piepsen. Der Kaffee war fertig. Hiroshi nahm den Pappbecher spitzfingrig mit zu einem der Sessel, genoss den ersten Schluck und ließ dann den Kopf mit geschlossenen Augen nach hinten sinken, einfach, weil es guttat.
»Sie wirken erschöpft, Kato-san«, sagte der junge Anwalt, den ihm die amerikanische Regierung zur Seite gestellt hatte.
Hiroshi öffnete die Augen, hob den Kopf. » Hai. Ich bin müde. Ich schlafe kaum. Ich bin so weiche Betten nicht gewohnt.«
Er sei als Zeuge hier, hatte man ihm erklärt, nicht als Angeklagter. Der Anwalt solle verhindern, dass er sich selbst belaste.
Alles gut organisiert.
Man hielt sie voneinander getrennt, damit sie sich nicht untereinander absprechen konnten. Jeder von ihnen hatte seine Aufpasser. Charlotte hatte er seit der Begegnung auf dem russischen Zerstörer nicht mehr gesehen; es hieß, sie sei inzwischen abgereist. Die anderen Teilnehmer der Expedition kannte er sowieso nicht.
»Ehrlich gesagt«, erklärte der Anwalt, »wirken Sie in manchen Momenten, als liege Ihnen eine Last auf der Seele. Kann es sein, dass es etwas gibt, das Sie bisher für sich behalten haben, über das ich als Ihr Anwalt aber Bescheid wissen sollte?«
Hiroshi musterte ihn. Interessante Formulierung. »Nein«, sagte er. »Das gibt es nicht.«
Man hatte es für eine gute Idee gehalten, ihm einen Anwalt japanischer Abstammung beizuordnen. Allerdings war John Takeishi, in Seattle geboren und aufgewachsen, ungefähr so japanisch wie der Tokio-Burger, für den eine der großen Fast-Food-Ketten gerade überall warb. Gut, er sprach leidlich Japanisch. Immerhin. Aber ansonsten hatte er null Ahnung von japanischer Lebensart und Kultur.
Eins allerdings musste man zugeben: John Takeishi verfügte über ein für einen Amerikaner außergewöhnliches Gespür dafür, was in anderen Menschen vor sich ging.
»Macht der Beruf eigentlich Spaß?«, fragte Hiroshi. »Anwalt, meine ich. Das hab ich mich schon immer gefragt. So viele Leute in Amerika werden Anwalt. Will man das nur wegen des Geldes?«
Takeishi hob die Augenbrauen. »Ich bin keiner von den reichenAnwälten, wenn Sie das meinen. Die haben es nicht nötig, für den Staat zu arbeiten.«
»Das meine ich nicht. Ich wollte wissen, ob der Beruf Spaß macht.«
»Manchmal schon.«
»Jetzt zum Beispiel?«
Takeishi grinste breit. »Geht so. Im Grunde sitze ich ja nur herum. Aber ich werd später sagen können, dass ich mal in Reykjavík gewesen bin.«
»Würden Sie den Beruf auch ausüben, wenn Sie kein Geld verdienen müssten? Wenn Geld keine Rolle spielen würde?«
Der junge Anwalt lachte auf. »Nein.«
»Sondern?«
»Musik. Jazz.« Etwas wie ein Leuchten erschien in seinem Gesicht. »Ich spiele Klarinette in einem
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