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Herr aller Dinge - Eschbach, A: Herr aller Dinge

Herr aller Dinge - Eschbach, A: Herr aller Dinge

Titel: Herr aller Dinge - Eschbach, A: Herr aller Dinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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Wetterbericht angekündigt, dann würde es zu regnen anfangen und kühl werden. Da es ihr letzter Sommer sein würde, verbrachte Charlotte jeden Abend so lange wie möglich draußen. Auf ihrer kleinen Terrasse in eine Decke gewickelt, hörte sie den Vögeln zu, den Kinderstimmen aus weiter Ferne, betrachtete die Blätter an den Bäumen, die sich bereits zu verfärben begannen, und hing ihren Gedanken nach. Nicht selten nickte sie ein – die Schmerzmittel, die sie inzwischen nehmen musste, um den Druck im Kopf auszuhalten, machten sie noch müder, als sie ohnehin schon war.
    Eines Abends schreckte sie hoch, weil plötzlich jemand vor ihr stand, ein hagerer, untersetzter Mann, der ihr bekannt vorkam. Sie war nicht erschrocken – nichts konnte ihr mehr Angst machen –, sie war einfach nur von dem Knarzen der Dielen aufgewacht, als er die Terrasse betreten hatte.
    Jetzt erkannte sie ihn. Es war Hiroshi.
    »Hallo, Charlotte«, sagte er.
    Sie betrachtete ihn versonnen, ohne sich zu rühren. Ein silberner Schimmer lag auf seinen Haaren. Um die Augen zeigten sich erste feine Fältchen. »Ich träume das jetzt nicht, oder?«
    Er schüttelte den Kopf und lächelte. »Nein.«
    Es war ein trauriges Lächeln. Daran sollte sie später noch oft denken: dass er gewusst hatte, was passieren würde.
2
    »Er ist in Buenos Aires? « Der Verteidigungsminister musterte den CIA-Chef über den oberen Rand des einseitigen Berichts hinweg, den dieser ihm persönlich überreicht hatte. »Sind Sie sicher?«
    »So sicher, wie man sein kann«, entgegnete der CIA-Chef pikiert. Der Minister starrte ihn unverwandt weiter an, ein Schweigen, das schwer auszuhalten war, also seufzte er schließlich und sagte: »Vor Kurzem hat der argentinische Zoll ein paar Leute verhaftet. Amerikaner, die versucht haben, mit Waffen und Abhörgeräten einzureisen. Die Beamten haben unsere Botschaft kontaktiert, und unsere Leute dort haben sich eingeschaltet. So weit Routine. Aber dann haben sie bei einem der Männer – einem gewissen Bud Miller – Fotos von Hiroshi Kato gefunden.«
    »Verstehe. Und ihn dann ein wenig … eindringlicher befragt, nehme ich an.«
    Der CIA-Chef neigte den kahl werdenden Kopf leicht zur Seite. »Die Männer hatten den Auftrag, eine Frau namens Charlotte Malroux zu beobachten. Sie sind davon ausgegangen, dass Kato früher oder später bei ihr auftauchen würde.«
    »Einen Auftrag? Von wem?«
    »Von einem in Boston ansässigen Unternehmen, Bennett Enterprises .« Der Geheimdienstler machte eine wegwerfende Handbewegung. »Offenbar wollte der Vorstandsvorsitzende sich Kato und seine Technologie auf eigene Faust unter den Nagel reißen. Das hat natürlich nun allerlei unerfreuliche juristische Konsequenzen für ihn und diejenigen seiner Mitarbeiter,die in den Fall verwickelt sind. Der springende Punkt ist, dass wir uns an seiner Stelle der Dame angenommen haben. Sie ist die Tochter des ehemaligen französischen Botschafters in Argentinien, weswegen wir äußerst diskret geblieben sind. Und Kato ist tatsächlich bei ihr aufgetaucht. Und zwar vor« – er sah auf seine Armbanduhr – »einer guten Stunde.«
    »Okay.« Der Verteidigungsminister griff nach dem Telefonhörer. »Zeit zu handeln. Das volle Programm. Aktivieren Sie Ihre Leute da unten, ich spreche mit dem Präsidenten.«
    In der Ferne hupte jemand anhaltend. Von irgendwoher hörte man Pfannengeklapper. Ein Flugzeug glitt über den Himmel, zeichnete einen rotgoldenen Kondensstreifen darauf.
    Charlotte erhob sich. Es war mühsam, aus dem Sessel zu kommen. Sie fühlte sich wie eine alte, zerbrechliche Frau. »Gehen wir hinein. Es wird kühl.«
    »Gern«, sagte Hiroshi. Sie merkte, wie er sich anspannte, bereit, sie zu stützen, sie aufzufangen, falls sie stürzen sollte, und wie er sich bemühte, sie nicht merken zu lassen, dass er damit rechnete.
    »Es geht schon«, sagte sie. »Willst du was trinken? Ich kann uns einen Kaffee machen.«
    »Ein Kaffee wäre großartig«, meinte er.
    Drinnen sah er sich um, während sie an der winzigen Einbauküche mit Wasserkessel und Kaffeepulver hantierte. »Schön wohnst du«, erklärte er nach einer Weile. »Das sieht alles irgendwie … sehr nach dir aus. Ich habe mir immer vorgestellt, dass deine Wohnung so aussieht wie die hier.«
    »Tatsächlich?« Es wunderte sie, dass er das sagte.
    »Aber eine Couch hast du auch nicht«, fügte er schmunzelnd hinzu.
    Ihre Diskussion von damals fiel ihr wieder ein. In einem anderen Leben schien das gewesen

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