Herr aller Dinge - Eschbach, A: Herr aller Dinge
Körperzellen?«
»Ja. Die Keimzellen zum Beispiel. Oder auch manche Stammzellen. Aber das sind beides Zelltypen, die sich leicht identifizieren lassen. Keimzellen zum Beispiel besitzen nur den halben Chromosomensatz.«
Es gab so viel, das man über sich selbst nicht wusste. Sich vorzustellen, dass nun winzige Maschinen durch ihren Körper kreisten, ihre Zellen inspizierten und dann entschieden, welche davon beseitigt werden sollten … »Und wenn sie sich irren?«
»Sie irren sich nicht.« Seine Hände lagen immer noch warm und ruhig auf ihrem Kopf. »Ich stehe mit ihnen in Kontakt.«
»In Kontakt? Über deine Hände etwa?«
»Eigentlich per Funk. Der Hautkontakt verbessert nur den Empfang.«
Musste sie das verstehen? Sie fühlte sich merkwürdig. Irgendetwas ging in ihrem Körper vor, sie wusste bloß nicht, was. »Kann es sein, dass ich gerade Fieber kriege?«
»Das ist nur eine Leukozytenreaktion«, erklärte Hiroshi ruhig. »Die Maschinen lösen die Krebszellen nicht einfach auf; das wäre zu gefährlich, weil dann dein Körper mit mehr Abfallstoffen überschwemmt würde, als er ausleiten kann. Stattdessen dringen sie in die Zelle ein und lösen die Apoptose aus, den zelleigenen Mechanismus der kontrollierten Selbstzerstörung. Die meisten Überreste werden von deinen Leukozyten aufgefressen; du wirst deswegen eine Weile erhöhte Leukozytenwerte aufweisen. Alles, was übrig bleibt, transportieren die U-Boote selber ab, deponieren es in deiner Blase oder deinem Darm – das geht nur etwas langsamer. Die gesamte Tumormasse in deinem Körper beträgt nicht mehr als ein paar hundert Gramm; du wirst abgesehen von einer leichten Verfärbung des Urins nichts bemerken.«
»Woher weißt du das alles?«, wunderte Charlotte sich.
»Ich habe das, bevor ich zu dir gekommen bin, schon zweimal ausprobiert. Das erste Mal an einem alten Mann, das zweite Mal an einem zehnjährigen Kind. Bei beiden hieß es, der Tod sei nur noch eine Frage von Tagen, und beide waren danach gesund.«
Ein Schauer überlief Charlotte. »Du kannst also Krebs tatsächlich heilen! Hiroshi! Das musst du der Menschheit zur Verfügung stellen! Das ist viel wichtiger als eine Raumstation , du meine Güte …«
»Das ist nicht so einfach, wie du denkst.«
»Wieso nicht?«
»Weil man dazu wissen muss, was ich weiß, und bereit sein muss, mit den Nanitenkomplexen zu verschmelzen.« Er seufzte. »Die Steuerung, weißt du? Mein gesamtes Gehirn ist durchzogen von nanofeinen Leitungen. Ich empfange Signale der Nanitendirekt in meinem Geist, und ein Gedanke von mir genügt, um sie zu lenken, sie tun zu lassen, was ich will.«
Charlotte fuhr hoch, fuhr herum und sah ihn entgeistert an. »Das ist nicht dein Ernst! Die Dinger von der Insel … sind in deinem Kopf? «
»Es geht nicht anders«, erwiderte er und klopfte sanft auf das Bett. »Leg dich wieder hin. Ich möchte lieber unter Beobachtung halten, was in dir passiert.«
Sie legte sich widerstrebend zurück und versuchte, nicht an Leon zu denken. Das war alles so irreal. Vielleicht träumte sie das alles auch nur …
»Hiroshi!«, rief sie, als sie irgendwann später wieder aufwachte, »wie ist das möglich? Diese Maschinen sind aus dem Weltraum gekommen, von irgendwoher! Wie ist es möglich, dass du sie mit deinem Gehirn steuern kannst?«
Hiroshis Hände bewegten sich leicht, streichelten ihre Schläfen. »Weil du recht hattest.«
»Ich? Womit?«
»Es gab schon einmal eine Menschheit. Sie haben die Naniten gebaut.«
Fernández Larreta hatte das deutliche Gefühl, dass dies der Moment war, etwas zu sagen. Auf keinen Fall konnte es angehen, dass irgendein dahergelaufener Ausländer die Ehre der argentinischen Polizei in den Dreck zog, ohne sich zumindest harsche Widerworte einzufangen.
»Mit allem nötigen Respekt, Señor «, meldete er sich also zu Wort, »aber ich bezweifle, dass Sie das beurteilen können. Offen gesagt haben Sie bisher, was diesen ominösen Japaner betrifft, nichts als diffuse Behauptungen in den Raum gestellt. ›Gefährlich‹, höre ich die ganze Zeit. Wie kommen Sie dazu, dergleichen zu behaupten? Legen Sie doch mal so etwas wie Beweise vor!«
Da riss er die Augen auf, dieser Miller. Haha! Mit derart entschiedener Gegenwehr hatte er nicht gerechnet!
»Professor?« Der Amerikaner wandte sich an einen seiner Begleiter, einen Mann mit einer imposanten Hakennase. »Wenn Sie vielleicht …?«
Der so Titulierte nickte, sah auf seine Uhr und überlegte kurz, als müsse er
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