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Herr aller Dinge - Eschbach, A: Herr aller Dinge

Herr aller Dinge - Eschbach, A: Herr aller Dinge

Titel: Herr aller Dinge - Eschbach, A: Herr aller Dinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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reich und frei – das stellte er sich entschieden angenehmer vor.
    Doch er wollte dafür nicht böse werden müssen. Nicht sohartherzig wie sein Großvater in Texas, der ihn hatte umbringen lassen wollen aus Angst um sein Geld.
    Und er wollte auch nicht, dass andere Menschen auf ein schönes Leben verzichten mussten, nur damit er es schön hatte. Wenn man das wollte, dann war man auch hartherzig.
    Wie man es auch drehte und wendete, das alles schien ein unlösbares Problem zu sein. Trotzdem konnte Hiroshi es nicht lassen, darüber nachzudenken. Es summte regelrecht in seinem Kopf, fast so, als würde jeden Augenblick etwas darin durchschmoren.
    Nein, er konnte einfach nicht aufhören zu grübeln. Er aß und trank und dachte nach. Er ging zu Bett und dachte nach, bis er einschlief. Er wachte morgens auf und hatte das Gefühl, dass sein Kopf ohne ihn die ganze Nacht über weiter nachgedacht hatte. Er dachte nach beim Zähneputzen und wenn er auf dem Klo saß, er dachte nach, wenn er sich anzog und wenn er fernsah, und immer war ihm, als drehten sich seine Gedanken um und um, wie riesige Mühlsteine, die sich gegenseitig zu Pulver zerrieben.
    Schließlich versuchte er, das Ganze zu vergessen. Er setzte sich zu seinen Spielsachen und seinen Werkzeugen, blätterte zum tausendsten Mal den Prospekt durch, in dem der Omnibot beschrieben wurde, und versuchte sich noch einmal an dem kaputten Radio, obwohl er wusste, dass er es nicht würde reparieren können, solange er nicht Ersatz für die defekten Teile kaufen konnte. Aber es schadete auch nichts, alle Leitungen noch einmal zu überprüfen.
    Und dann, abends, kurz vor dem Einschlafen, hatte er auf einmal die Idee. Die Idee, wie man es machen konnte.
    Aufgeregt setzte er sich auf, schaltete die Leselampe an der Wand wieder ein, dachte die Idee noch einmal durch und noch einmal und noch einmal und fand keinen Fehler darin. Keinen Grund, warum es so nicht funktionieren sollte. Es stimmte gar nicht, dass es arme Leute geben musste, damit es reiche Leute geben konnte! Ein Denkfehler! Ein totaler Irrtum! Es konntensehr wohl alle Menschen reich sein. Es konnte sehr wohl jeder alles haben, was er wollte – niemand musste herzlos oder böse dafür werden.
    Und das Beste: Es war im Grunde ganz einfach! Kinderleicht!
    Das Erstaunlichste war eigentlich, dass vor ihm noch niemand auf diese naheliegende Idee gekommen war.
    Unmöglich, jetzt zu schlafen. Hiroshi zerrte einen Notizblock aus dem Regal, zog einen Kugelschreiber hervor und begann alles aufzuschreiben. Diese Idee war wichtig! Auf keinen Fall durfte er sie vergessen!
    Aber er würde sie nicht vergessen. Im Gegenteil, je mehr er schrieb, je länger und genauer er darüber nachdachte, desto sicherer war er sich, dass er die Lösung gefunden hatte, die Lösung für alle Probleme, die mit Reichtum, Armut, Geld und Arbeit und so weiter zu tun hatten.
    Es dauerte lange, bis er alles aufgeschrieben hatte, was es aufzuschreiben gab, und er den Block beiseitelegen und das Licht wieder ausschalten konnte. Er würde Charlotte davon erzählen, wenn sie sich das nächste Mal trafen: Das war sein letzter Gedanke, ehe er einschlief.
    Am nächsten Tag – ungewöhnlich für die Jahreszeit – regnete es morgens, ein weicher, sanfter Sommerregen, der zu verdunsten schien, ehe er den Boden berührte, und der trotzdem guttat: Danach war die Luft herrlich frisch, und alle Leute schienen guter Laune zu sein. Und am späten Nachmittag standen fünf Puppen in Charlottes Fenster!
    »Ich geh noch mal weg«, sagte Hiroshi zu seiner Mutter, die gerade zur Tür hereinkam.
    »Wohin?«, wollte sie wissen.
    Er war bereits in den Schuhen und halb zur Tür hinaus. »Ich bin mit Charlotte verabredet«, rief er und machte, dass er davonkam, ohne ihre Einwände hören zu müssen.
    Charlotte empfing ihn höchst aufgeregt. »Ich dachte schon, die gehen nie wieder weg! Ehrlich, es war fast nicht auszuhalten. Komm rein«, sagte sie und zog ihn am Ärmel in ihr Zimmerund an den Schreibtisch, wo ein Tablett mit allerlei Sachen zum Essen stand – winzige panierte Fleischstücke, bunte Salate, gerollte Schinkenstücke mit einer hellen Füllung und eine Menge Dinge, die Hiroshi noch nie gesehen hatte. »Ich hab der Köchin was abgeschwatzt; das ist vom Abendessen übrig geblieben. Damit du nicht gleich wieder heimgehen musst, habe ich mir gedacht. Komm, iss! Ich ess auch noch ein bisschen, aber nur höflichkeitshalber, denn eigentlich bin ich schon satt.«
    »Und wo

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