Herr aller Dinge - Eschbach, A: Herr aller Dinge
Phi-Beta-Kappa-Party?«
»Ja«, sagte Hiroshi mit rauer Stimme.
»Ohne mich?«
Es versetzte ihr einen Stich, ja. Wieso auf einmal? So lange hatte sie sich den Mund fusselig geredet, Hiroshi solle doch mal mit ihr auf eine Party gehen, von anderen geselligen Ereignissen ganz zu schweigen …
Hiroshi machte nicht einmal den Versuch, sich zu rechtfertigen. Er nahm ihre Hände und zog sie Richtung Bett.
Dorothy zögerte. Mit einem Mann zu schlafen, der nach Bier und Rauch stank, gehörte nicht zu ihren Vorstellungen von einem idealen Sonntag. Sie würde ihn duschen schicken, ehe sie sich auch nur von ihm küssen ließ.
Aber er machte keine Anstalten, sie zu küssen. Er setzte sich einfach nur und sagte: »Mir ist was passiert.«
Dorothy stellten sich die Nackenhaare auf. Seine Stimme klang, als hätte er eigentlich sagen wollen: Ich habe jemanden umgebracht .
Er begann zu erzählen, aber ihr war, als spräche er in einer fremden Sprache. Oder rauschte es in ihren Ohren? Sie verstand ihn kaum, wollte auch gar nicht verstehen, was er da erzählte von einer Frau, die er als Kind gekannt und jetzt wiedergetroffen hatte, von einem Zaun, den er überklettern musste, einer kaputten Puppe, die er repariert hatte und einem Flug zu seiner kranken Tante …
Und davon, dass man Konsequenzen ziehen müsse. Das sagte er mehrmals. Dass, wenn einem etwas Wichtiges passiere, wenn das Schicksal walte, man die entsprechenden Konsequenzen ziehen müsse.
Und schließlich sagte er den Satz, der sich wie mit einer glühenden Nadel geschrieben in ihr Herz fraß: »Mir ist klar geworden, dass ich dich nicht liebe.«
Dorothy hatte das Gefühl, in Stücke zu zerbrechen.
»Ich habe es geglaubt«, fuhr Hiroshi ernst fort und sah sie mit seinen dunklen asiatischen Augen an, die im Dämmerlicht zu glühen schienen. »Aber es war nicht so. Das ist mir heute Nacht klar geworden. Die Frau meines Lebens ist Charlotte. Nicht du.«
»Verstehe«, hörte sich Dorothy sagen. Irgendein Teil in ihr, irgendein Notfallmechanismus, ein einfacher, robuster, für Katastrophenfälle gedachter Sicherheitsautomatismus hatte die Kontrolle übernommen, während der Rest von ihr in fassungslose Lähmung versank.
Es war einer jener Momente, in denen man hofft, alles sei nur ein böser Traum, zugleich aber weiß, dass man vergebens hofft. Das vielleicht Schlimmste war, dass sie zum ersten Mal, seit sie mit Hiroshi zusammen war, das Gefühl hatte, dass er rückhaltlos offen zu ihr war, sich ganz und gar öffnete – und nun tat er es, um ihr zu sagen, dass er sie nicht liebte und nie wirklich geliebt hatte!
»Deswegen wird es das Beste sein, unsere Beziehung zu beenden.«
»Ja«, sagte der Dorothy-Überlebens-Automat.
»Es tut mir leid.«
»Mir auch.«
»Du hast das nicht verdient«, fuhr er fort. »Du hast es verdient, dass dich jemand wirklich liebt.«
»Ja.«
Ob sie danach noch etwas redeten, wusste sie später nicht mehr. Sie wusste nur, dass es ihr gelungen war, ihn zur Tür zu bringen, ohne auseinanderzufallen, und dass sie dann ins Bett gekrochen war, sich die Decke über den Kopf gezogen und geschrien hatte, geschrien und geheult, bis sie nicht mehr konnte.
»Du hast was gemacht?« Rodney starrte ihn ungläubig an. Der Kochlöffel in seiner Hand war in der Bewegung erstarrt.
Hiroshi deutete auf die Pfanne. »He! Das brennt an!« Rodney war im Begriff, seine spezielle Kater-Bekämpfungs-Soße zu kochen, eine Komposition der schweißtreibendsten Errungenschaften der mexikanischen Küche. Das ganze Stockwerk musste schon erfüllt sein von Tomaten-, Knoblauch-, Chili- und Kakaodüften. »Es war halb so wild. Sie hat es mit erstaunlicher Fassung getragen.«
»Mit Fassung getragen?«, echote Rodney, während die Zwiebeln im Fett immer schwärzer wurden. »Das ist nicht dein Ernst, oder? Ich würd mir an deiner Stelle lieber Sorgen machen, dass sie sich was angetan hat.«
Hiroshi musterte ihn. Er fühlte sich unwohl, seine Augen brannten, und die paar Stunden wirren, verschwitzten Schlafs hatten auch nicht viel gegen das Gefühl geholfen, neben sich zu stehen. »Übertreib doch nicht gleich maßlos«, murmelte er unbehaglich.
Rodney schob die Pfanne von der Herdplatte, stürmte aus der Küche und kehrte mit seinem Mobiltelefon zurück. »Wie ist ihre Nummer?«
Hiroshi zog sein eigenes Telefon aus der Tasche und hielt es ihm hin. »Da ist sie noch einprogrammiert. Auf der Neun.«
»Glaubst du etwa, dass sie rangeht, wenn sie deine Nummer im Display
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