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Herr Bofrost, der Apotheker und ich

Herr Bofrost, der Apotheker und ich

Titel: Herr Bofrost, der Apotheker und ich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Neuffer
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Spenger her dackelte und dem Impuls widerstand, schon einmal eine komplette Garteneinrichtung zusammenzukaufen, wurde mir klar, dass ich mir nicht in Hamburg eine Wohnung suchen würde. Das war nicht, was ich wollte. Ich sehnte mich nicht nach einer Neuauflage meines Studentenlebens, nicht nach Großstadt-Flair und spektakulären, kulturellen Events, nicht nach ›Sex and the City‹. Nein, ich wollte ›Calmness in the Country‹. Ching Li an meiner Seite und Efeu, der um Putten rankte. Vogelstimmen im blass aufdämmernden Morgenlicht, den taugetränkten Duft unzähliger Blüten ... Ja, und dazu – am allerliebsten – grüne Pünktchen, die mit den Schmetterlingen um die Wette tanzten. Aber das gehörte (beiläufig) in die Glutenkiste.
    »Mir reiches?«, erklärte Mama Spenger und tupfte sich mit einem Taschentuch das Gesicht. »Das alles hier ist ja gut und schön und nett anzuschauen, aber kannst du dir vorstellen, dass Papa so ein Engelchen da« – sie deutete auf einen kleinen Cupido aus grauem Stein, der verträumt auf einer Kugel hockte – »in unserem Garten dulden würde?«
    Konnte ich nicht. »Also dann, lass uns essen gehen.«
    Wir luden Mama Spengers bescheidene Einkäufe – einen Buchsbaum, eine Rosenschere, einen Weidenkorb – in meinen Kofferraum und spazierten zum Georgenhof Es war noch recht früh, Viertel nach zwölf erst, und auf der Terrasse saßen erst wenige Gäste. Wir suchten uns einen Tisch vorn an der kleinen Steinbrüstung aus, von wo wir einen schönen Blick über den Teich und Park hatten, und ich bestellte für uns beide einen Kir royal. Mama Spenger sah aus, als könne sie eine kühle, erquickende Nervenstärkung ganz gut gebrauchen. Doch auch mir tat es gut, hier im Schatten eines Sonnenschirms zu sitzen, an diesem edel gedeckten Tisch mit dem rosafarbenen, gestärkten Tischtuch, auf dem Bestecke und Gläser funkelten. Der Kir perlte rosig in den beschlagenen Gläsern, wir stießen klingend an und lächelten. Mir wurde ein wenig weh ums Herz. Ich hatte Mama Spenger wirklich lieb – vielleicht weil sie die einzige unechte Spenger war. Von Katharina und Nina trennten sie Welten, aber sie war in all diesen Jahren irgendwie meine Mama geworden. Natürlich war sie konventionell und für meinen Geschmack viel zu etepetete, aber unter ihrer lackierten, pastellfarbenen Fassade sprudelten echte Wärme und Herzlichkeit.
    Ich blinzelte und griff resolut nach der Speisekarte. Sehr schnell entschied ich mich für den Steinbutt in Champagnersauce. Mama Spenger wollte Heidschnuckenbraten probieren, und ich überredete sie zu einem leichten Rosé. Ich bestellte eine ganze Flasche – ich fand, es könne ihr nicht schaden, die Welt ein bisschen rosa zu sehen, wenn ich sie am Nachmittag wieder in ihrem Apothekerheim absetzte. Ich selbst gönnte mir nach dem Kir nur noch Wasser, schließlich brauchte ich einen klaren Kopf Nicht nur zum Autofahren.
    Das Essen war lecker. Und Mama Spenger, die mit der Flasche Wein auch ohne meine Unterstützung sehr gut zurechtkam, wurde immer lebhafter. Während des Salats, den wir vorweg aßen, schwärmte sie von dem Kübelgarten, den sie neben ihrer Terrasse anlegen wollte, und beim Heidschnuckenbraten malte sie sich aus, was sie alles im Garten verändern würde, wenn ihr Mann nicht so ein verdammter Pedant wäre. Sie sagte tatsächlich ›verdammter Pedant‹, und ich warf einen prüfenden Blick auf die Weinflasche. Sie war zu drei Vierteln leer.
    Als wir unsere Erdbeeren mit Sahne löffelten, sah Mama Spenger mich mit leicht glasigen Augen an. »Bist du eigentlich glücklich, Kind?«, fragte sie unvermittelt.
    Mein Löffel klirrte gegen den Teller. »Wieso fragst du das?«
    »Weil ich den Eindruck habe, dass du sehr unglücklich bist, Lenchen.« Sie legte ihre Hand auf meine, drückte sie sanft. »Diese Geschichte mit deiner Magen-Darm-Grippe und eurem Urlaub irgendwas stimmt doch da nicht. Du warst gar nicht krank, stimmt's?«
    »Na ja ... Mama, ich ...« Ich wusste nicht weiter und schob mir hastig drei Erdbeeren in den Mund. Mit vollem Mund spricht man nicht.
    »Ich erzähle dir jetzt mal etwas, Lena, aber das bleibt unter uns, verstehst du?« Sie sah mich streng an, kippte den letzten Wein in ihr Glas, schob den Nachtischteller ein wenig von sich weg. »Als ich in deinem Alter war, ging es mir viel schlechter als dir. Kerstin war gerade zwei, und Holger lag noch in den Windeln. Ich hatte meinen Beruf aufgegeben« – sie war Apothekenhelferin gewesen, in

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