Herr der Daemmerung
hatte es den Anschein.
Aber Jez kannte ihn besser.
Sie wusste, dass er niemals aufgab und dass er, wenn er nicht zu wütend war, um zu denken, genauso einfallsreich war wie sie. Und genauso hinterhältig. Im Augenblick war seine Hilflosigkeit ungefähr so echt, wie ihre Nummer des verletzten Vogels es gewesen war.
Deshalb war sie darauf vorbereitet, als er ihr eine weitere Explosion von Macht entgegen-schleuderte. Sie sah, wie seine Pupillen sich weiteten, wie bei einer Katze, die gleich angreifen würde, und sie wappnete sich und bewegte den Stock kaum merklich, damit er sich ihm ins Schlüsselbein drückte, wenn sie sich vorbeugte.
Da traf sie der Energiestoß. Sie konnte die Welle jetzt beinahe sehen, mit dem sechsten Sinn, der Teil ihres vampirischen Erbes war. Es war wie die Druckwelle einer Atomexplosion, die alles zerstörte, worauf sie donnerte, und die sich von jedem Aufprallpunkt aus erneut kreisförmig ausdehnte. Die Energie schien leicht grün zu sein, von der Farbe von Morgeads Augen. Und sie traf Jez wirklich hart.
Jez knirschte mit den Zähnen, klammerte sich an den Kampfstock und hielt ihn fest, wo er war, während sie die Macht durch sich hindurchfließen ließ. Sie wehte ihr lose Haarsträhnen aus dem Gesicht wie ein heißer Wind, und es schien ewig zu dauern.
Aber endlich war es vorüber, und ihr ganzer Körper kribbelte vor Schmerz. Sie hatte ein metallisches Gefühl in den Zähnen. Und Morgead saß immer noch fest.
Er zischte sie an, ein Geräusch, das auf erstaunliche Weise reptilienhaft klang.
»Hast du sonst noch was auf Lager?«, fragte Jez und grinste mit schmalen Augen auf ihn hinab. Jede Prellung an ihrem Körper tat jetzt aufs Neue weh - aber das würde sie ihn nicht merken lassen. »Nein? Dachte ich mir.«
Morgead zog die Oberlippe hoch. »Scher dich zum Teufel, Jezebel.«
Niemand benutzte ihren vollen Namen. »Du zuerst, Morgead«, erwiderte sie und drückte fester auf den Stock.
Die grünen Augen waren jetzt wunderschön leuchtend, erfüllt von purem Zorn und Hass. »Dann töte mich«, sagte er böse.
»Morgead ...«
»Nur so wirst du gewinnen können. Anderenfalls werde ich einfach hier liegen bleiben und warten, bis meine Energie wieder aufgeladen ist. Und wenn ich genug Macht habe, werde ich dich aufs Neue schlagen.«
»Du weißt einfach nie, wann es vorbei ist, oder?«
»Es ist niemals vorbei.«
Jez kämpfte eine Woge von Zorn und Ärger nieder. »Ich will das nicht tun müssen«, fauchte sie, »aber ich werde es tun.«
Sie tötete ihn nicht. Stattdessen tat sie ihm weh.
Sie packte sein Handgelenk so mit ihrem Stock, dass sie ihm mit einem Hebel ernsthaften Schmerz zufügen konnte - oder den Knochen brechen.
»Gib auf, Morgead.«
»Leck mich.«
»Ich werde dir das Handgelenk brechen.«
»Schön. Ich hoffe, es macht dir Spaß.« Er funkelte sie immer noch an.
Wie ein kleines Kind, das damit drohte, auf der Schnellstraße zu spielen, dachte Jez, und plötzlich wurde sie unerklärlicherweise beinahe von Gelächter überwältigt. Sie unterdrückte es.
Sie wollte ihm nicht das Handgelenk brechen. Aber sie wusste, dass sie es tun musste. Und sie musste es bald tun, bevor er genug Macht gesammelt hatte, um sie erneut damit anzugreifen.
Noch einen dieser Angriffe würde sie nicht ertragen.
»Morgead, gib auf!« Sie übte genug Druck auf sein Handgelenk aus, dass es wirklich schmerzte.
Er warf ihr durch dunkle Wimpern einen bösen Blick zu.
»Du bist so stur!« Jez verstärkte den Druck.
Sie konnte erkennen, dass es ihm weh tat. Es tat ihr weh, den stetigen Druck aufrechtzuerhalten. Der Schmerz in ihrem Ellbogen blühte erneut auf.
Jez’ Herz hämmerte, und ihre Muskeln begannen vor Erschöpfung zu zittern. Das hier war für sie beide schwieriger, als ein sauberer Bruch es gewesen wäre. Und er war ein Vampir - sein Handgelenk würde binnen weniger Tage heilen. Sie würde ihm keine dauerhafte Verletzung zufügen.
Ich muss es tun, sagte sie sich. Sie spannte die Muskeln an ...
Mit einem Zischen des Schmerzes holte Morgead schnell, kurz Luft. Nur für eine Sekunde verloren seine grünen Augen ihre juwelenähnliche Klarheit und wurden ein wenig trüb, als er zusammenzuckte.
Jez ließ sein Handgelenk los und ließ sich schwer atmend fallen, sodass sie neben ihm auf dem Boden saß.
Du bist so dumm, sagte ihr Verstand. Sie schüttelte den Kopf, schloss die Augen und versuchte, mit dem Zorn fertig zu werden.
Neben ihr richtete Morgead sich auf. »Was machst du
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