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Herr der Daemmerung

Herr der Daemmerung

Titel: Herr der Daemmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa J. Smith
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würde.«
    Sie umkreisten einander wachsam.
    Der Schlangenholzstock fühlte sich warm an in Jez’ Händen. Es war komisch, irgendein ferner Teil ihres Geistes dachte zusammenhanglos darüber nach, dass die bescheidensten und minderwertigsten menschlichen Waffen für Vampire am gefährlichsten waren.
    Aber es war außerdem die vielseitigste Waffe auf der Welt. Mit einem Stock konnte man - anders als mit einem Messer, einer Schusswaffe oder einem Schwert - ganz fein den Grad von Schmerz und Verletzungen bestimmen, die man verursachte. Man konnte Angreifer entwaffnen und beherrschen und - wenn es die Umstände erforderlich machten - seinem Gegner Schmerzen zufügen, ohne ihn dauerhaft zu verletzen.
    Natürlich konnte man ihn, wenn er ein Vampir war, auch töten , was mit einem Messer oder einer Schusswaffe nicht möglich war. Nur Holz konnte das Herz eines Vampirs dauerhaft daran hindern weiterzuschlagen. Was der Grund war, warum Vampire, die einander verletzen wollten, den Kampfstock als Waffe wählten ... ebenso wie Vampirjäger. Jez grinste Morgead an und wusste, dass es kein besonders nettes Lächeln war.
    Seine Füße wisperten über die abgetretenen Eichenbretter des Bodens. Sie und Morgead hatten hier unzählige Male trainiert, sich aneinander gemessen und sich darin geübt, der Beste zu sein. Und es hatte funktioniert. Sie waren beide Meister dieser tödlichsten aller Waffen.
    Aber kein Kampf hatte je so sehr gezählt wie dieser.
    »Als nächstes wirst du einen Kopftreffer versuchen«, informierte sie Morgead kühl. »Wie du das immer tust.«
    »Du denkst wohl, du weißt alles. Aber du kennst mich nicht mehr. Ich habe mich verändert«, erwiderte er genauso gelassen - und versuchte, ihren Kopf zu treffen.
    »Psyche«, sagte er, während sie den Angriff blockierte und die Holzstöcke mit einem scharfen Knacken aufeinanderprallten.
    »Falsch.« Jez machte mit ihrem Stock eine scharfe Drehung, bekam ein günstiges Hebelverhältnis zu seinem Stock, schlug ihn herunter und drückte ihn Morgead gegen die Oberschenkel. »Falle.« Sie grinste ihm ins Gesicht.
    Und war für einen Moment verblüfft. Sie war ihm lange nicht mehr so nahe gewesen. Seine Augen - sie waren so grün, edelsteinfarben und erfüllt von einem seltsamen Licht.
    Nur für eine Sekunde bewegte sich keiner von ihnen; sie hatten die Waffen gesenkt und sahen einander fest in die Augen. Ihre Gesichter waren sich so nah, dass ihr Atem sich vermischte.
    Dann glitt Morgead aus der Falle heraus. »Versuch nicht solche Sachen«, sagte er unfreundlich.
    »Welche Sachen?« Sobald ihr Stock von seinem befreit war, riss sie ihn wieder hoch und stieß ihn in Richtung seiner Augen.
    »Du weißt, welche Sachen!« Er wehrte ihren Stoß mit unnötiger Wucht ab. »Diese >Ich-bin-Jez-und-ich-bin-so-wild-und-schön<-Sachen. Diese >Warum-wirfst-du-nicht-einfach-deinen-Stock- weg-und-lässt-dich-von-mir-treffen-weil-es-Spaß-machen-wird<-Sachen.«
    »Morgead ... wovon ... redest du?« Zwischen den Worten griff sie an, ein Stoß nach seiner Kehle und dann einer nach seiner Schläfe. Er blockte ab und wich aus - was genau das war, was sie wollte. Ausweichmanöver. Rückzug. Sie drängte ihn in eine Ecke.
    »Das ist die einzige Art und Weise, auf die du zuvor immer gewonnen hast. Du hast mit den Gefühlen gespielt, die die Leute für dich hatten. Aber das wird nicht länger funktionieren!« Er konterte wild, aber es spielte keine Rolle. Jez blockte mit einem Wirbelwind eigener Angriffe ab und bedrängte ihn, und dann hatte er keine andere Wahl, als sich zurückzuziehen, bis er mit dem Rücken in der Ecke stand.
    Sie hatte ihn.
    Sie hatte keine Ahnung, was das bedeuten sollte, sie spiele mit den Gefühlen anderer, und sie hatte keine Zeit, darüber nachzudenken. Morgead war so gefährlich wie ein verletzter Tiger, wenn er in die Enge getrieben wurde. Seine Augen leuchteten smaragdgrün vor purem Zorn, und in seinen Zügen lag eine Härte, die im vergangenen Jahr noch nicht dagewesen war.
    Er hasst mich tatsächlich, dachte Jez. Hugh hat sich geirrt. Er ist verletzt und wütend, und er hasst mich abgrundtief.
    Die Lehrbuchantwort lag auf der Hand: dieses Gefühl gegen ihn zu benutzen, ihn zu provozieren und ihn so wütend zu machen, dass er seine Deckung aufgab. Tief in Jez machte sich irgendein Instinkt deswegen Sorgen, aber sie hörte nicht darauf.
    »He, alles ist fair, okay?«, sagte sie leise. »Und was meinst du damit, es werde nicht funktionieren? Ich habe dich, oder etwa

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