Herr der Daemmerung
seine Erinnerungen aufwühlte. Ein Bild von ihr, wie sie davonging, wie sie die Gang verließ, ihn verließ.
Es war natürlich kein reales Bild. Es war ein Symbol.
Es war ein Köder.
Und sie spürte, wie es Morgeads Geist traf und dort aufprallte und Erinnerungen losschlug wie ein Funkenflug.
Das erste Treffen der Gang, an dem sie nicht teilgenommen hatte. Fragen. Verwirrung. Sie alle, wie sie nach ihr suchten und sich bemühten, auf den Straßen einen Hinweis auf ihre einzigartige Machtsignatur zu finden. Zuerst lachend, während sie nach ihr riefen, während sie ein Spiel daraus machten, bis das Lachen sich in Ärger verwandelte, als sie nicht wieder auftauchte. Dann verwandelte der Ärger sich in Sorge.
Das Haus ihres Onkels Bracken. Die Gang, die sich mit Morgead an der Spitze an der Türschwelle drängte. Onkel Bracken, der verloren und traurig wirkte. »Ich weiß nicht, wo sie ist. Sie ist einfach - verschwunden.« Und Sorge, die sich in herzzerreißende Angst verwandelte. Angst und Wut und Kummer und das Gefühl, verraten worden zu sein.
Wenn sie nicht tot war, dann hatte sie ihn verlassen. Genau wie alle anderen. Genau wie seine Mutter.
Und diese Trauer und dieser Zorn hatten sich aufgebaut, perfekt ausbalanciert, weil Morgead die Wahrheit nicht kannte. Aber immer mit dem Wissen, dass die Welt, so oder so, kalt war, weil sie verschwunden war.
Und dann ... ihr Erscheinen in seinem Zimmer heute. Offensichtlich am Leben. Unverschämt gesund. Und unverzeihlich lässig, als sie ihm sagte, dass er niemals erfahren würde, warum sie gegangen war.
Jez spürte, wie Morgeads Entrüstung anschwoll, eine dunkle Welle in ihm, eine Kälte, die keine Gnade für irgendjemanden kannte und die nur verletzen und töten wollte. Sie füllte ihn aus, riss alles andere mit sich fort. Die bloße Berührung damit ließ ihr Herz hämmern und raubte ihr den Atem. Die rohe Macht war beängstigend.
Du hast mich verlassen!, knurrte er sie an, sechs Silben, hinter denen eine Welt der Bitterkeit lag.
Ich musste es tun. Und ich werde dir niemals verraten, warum. Jez fühlte, dass ihre eigenen Augen brannten; sie nahm an, dass er spüren konnte, wie sehr es sie schmerzte, das zu sagen. Aber es war das Einzige, was funktionieren würde. Der Sog zwischen ihnen wurde schwächer, wurde von Morgeads Ärger erstickt.
Du bist eine Verräterin , sagte er. Und das Bild hinter diesen Worten zeigte alle, die jemals aus den selbstsüchtigsten Gründen einen Freund, einen Geliebten oder eine Sache verraten hatten. Jeden Verräter aus der Geschichte der menschlichen Welt und der Nachtwelt. Das war es, was Morgead von ihr dachte.
Es kümmert mich nicht, was du denkst, erklärte sie.
Es hat dich nie gekümmert, schoss er zurück. Das weiß ich jetzt. Ich weiß nicht, warum ich jemals etwas anderes denken konnte.
Die Macht, die versucht hatte, sie zueinander hinzuziehen, war zu einem silbernen Faden der Verbundenheit ausgedünnt worden. Und das war gut - es war notwendig, sagte Jez sich. Sie nahm all ihre Kraft zusammen und spürte, wie sie aus Morgeads Geist glitt, immer weiter weg von ihm und dann noch weiter.
Du solltest es besser nicht mehr vergessen, sagte sie. Es war einfacher, gemein zu sein, wenn sie seine Reaktionen nicht spüren konnte. Es könnte schlecht für dich ausgehen.
Keine Sorge, antwortete er knapp. Ich kann auf mich aufpassen. Verlass dich drauf, dass ich es niemals mehr vergessen werde.
Der Faden war so fein und gespannt, dass Jez ihn jetzt kaum noch spüren konnte. Sie fühlte ein seltsames Schlingern in ihrem Innern, ein Flehen, aber sie wusste, dass es getan werden musste.
Ich tue, was ich tun will, aus meinen eigenen Gründen, stellte sie fest. Und niemand hinterfragt mich. Ich bin die Anführerin, erinnerst du dich?
Etwas zerriss!
Es war ein körperliches Gefühl, das Gefühl loszubrechen, während Morgead auf einer Welle seines eigenen schwarzen Zorns davongetragen wurde. Er zog sich so schnell von ihr zurück, dass ihr schwindelig wurde ...
Und dann waren ihre Augen offen, und sie war in ihrem eigenen Körper.
Jez blinzelte und versuchte, sich wieder auf den Raum zu konzentrieren, in dem sie sich befand. Sie schaute zur Decke auf, und alles war zu hell und zu groß und zu verschwommen. Morgead hielt sie umfangen, und ihre Kehle lag zurückgewölbt, lag immer noch ungeschützt vor ihm. Jeder Nerv zitterte.
Dann ließ er sie plötzlich fallen. Sie landete auf dem Rücken, immer noch blinzelnd, und sie
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