Herr der Daemmerung
improvisierte, aber ihr blieb keine andere Wahl. »Hunter will in der neuen Ordnung Leute haben, die ihm ergeben sind. Und wenn du dich als wertvoll erweist, wird er dich wollen. Aber du musst es zuerst beweisen. Okay? Abgemacht?«
»Falls ich dir trauen kann.«
»Wir können einander trauen, weil wir es müssen. Wir wollen beide das Gleiche. Wenn wir tun, was Hunter will, gewinnen wir beide.«
»Also kooperieren wir - für den Augenblick.«
»Wir kooperieren - und wir warten ab, was geschieht«, antwortete Jez gelassen.
Sie sahen einander von den gegenüberliegenden Seiten des Raums aus an. Es war, als hätten sie niemals Blut geteilt. Sie waren in ihre alten Rollen zurückgekehrt - vielleicht ein wenig feindseliger, aber es waren dieselbe Jez und derselbe Morgead, die es genossen, Gegner zu sein.
Vielleicht wird es von jetzt an einfach, dachte Jez. Solange Hunter nicht auftaucht und mich auffliegen lässt.
Dann grinste sie innerlich. Das würde niemals geschehen. Hunter Redfern war seit fünfzig Jahren nicht mehr an der Westküste gewesen.
»Zum Geschäft«, sagte sie energisch. »Wo ist die Wilde Macht, Morgead?«
»Ich werde es dir zeigen.« Er ging zu dem Futon hinüber und setzte sich.
Jez blieb, wo sie war. »Du wirst mir was zeigen?«
»Die Wilde Macht.« Am Fußende des Bettes, auf dem kahlen Boden, stand ein Fernseher mit Video-Rekorder. Morgead legte eine Kassette ein.
Jez ließ sich auf dem gegenüberliegenden Ende des Futons nieder, dankbar für die Chance, sich hinzusetzen.
»Du hast die Wilde Macht aufgenommen?«
Er warf ihr einen eisigen Blick über die Schulter zu. »Ja, für Amerikas lustigste Heimvideos. Halt einfach die Klappe, Jez, und sieh es dir an.«
Jez kniff die Augen zusammen und folgte seinen Anweisungen.
Was sie sah, war ein Fernsehfilm über einen Asteroiden, der das Leben auf der Erde auszulöschen drohte. Ein Film, den sie bereits gesehen hatte - er war idiotisch gewesen. Plötzlich wurde die Handlung von dem Logo eines lokalen Nachrichtensenders unterbrochen. Eine blonde Moderatorin erschien auf dem Bildschirm.
»Wichtige aktuelle Nachrichten aus San Francisco. Wir haben Live-Bilder aus dem Marina District, wo ein Feuer der Alarmstufe fünf in einem Komplex von Sozialwohnungen wütet. Wir schalten jetzt zu Linda Chin, die sich vor Ort befindet.«
Die nächste Szene zeigte eine dunkelhaarige Reporterin.
»Regina, ich stehe hier in der Taylor Street, wo Feuerwehrleute zu verhindern versuchen, dass dieser spektakuläre Brand sich ausbreitet...«
Jez blickte vom Bildschirm zu Morgead. »Was hat das mit der Wilden Macht zu tun? Ich habe es live gesehen. Es ist vor zwei Wochen passiert. Ich habe mir diesen dummen Film angesehen ...«
Sie brach ab, erschrocken über sich selbst. Sie war tatsächlich drauf und dran gewesen zu sagen: »Ich habe mir diesen dummen Film angesehen, mit Claire und Tante Nan.« Um ein Haar hätte sie einfach so die Namen der Menschen ausgeplaudert, bei denen sie lebte. Wütend biss sie die Zähne zusammen.
Sie hatte Morgead bereits genug wissen lassen: Dass sie vor zwei Wochen in diesem Gebiet gewesen war, wo ein lokaler Nachrichtensender das Programm unterbrechen konnte.
Was war los mit ihr?
Morgead warf ihr einen sardonischen Blick zu, nur um sie wissen zu lassen, dass ihr Ausrutscher ihm nicht entgangen war. Aber alles, was er sagte, war: »Schau weiter zu. Du wirst schon sehen, was es mit der Wilden Macht zu tun hat.«
Auf dem Bildschirm flackerten die Flammen leuchtend orange und grell vor dem Hintergrund der Dunkelheit. So grell, dass Jez, hätte sie diesen Teil des Marina Districts nicht gut gekannt, sich kaum hätte orientieren können.
Vor dem Gebäude trugen gelbe Feuerwehrleute Wasserschläuche. Rauch flutete plötzlich nach draußen, als aus einem der Schläuche ein Wasserstrahl in die Flammen schoss.
»Ihre größte Angst ist, dass sich in diesem Komplex noch ein kleines Mädchen aufhalten könnte ...«
Ja. Das war es, was Jez von diesem Brand im Gedächtnis geblieben war. Da war ein Kind gewesen ...
»Schau her«, sagte Morgead und streckte die Hand aus.
Die Kamera zoomte etwas heran und holte die Flammen näher. Ein Fenster in dem rosig braunen Beton des Gebäudes. Hoch oben, im zweiten Stock. Auf dem Gehweg darunter loderten Flammen und machten es unmöglich, dort hinzugelangen.
Die Reporterin redete noch immer, aber Jez blendete sie aus. Sie beugte sich weiter vor, den Blick auf dieses Fenster gerichtet.
Wie alle
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