Herr der Daemmerung
blieb vollkommen reglos stehen, ohne irgendeinen Ausdruck auf ihrem Gesicht zuzulassen. Ihr Geist spielte verschiedene Strategien durch. Zwei Ausgänge - aber wenn sie das Fenster nahm, bedeutete das einen Sprung aus dem vierten Stock, und in ihrer Verfassung würde sie das wahrscheinlich nicht überleben. Außerdem konnte sie natürlich nicht gehen, ohne irgendetwas zu unternehmen, um Morgead zum Schweigen zu bringen - aber einen weiteren Kampf würde sie ebenfalls nicht überleben ...
Sie unterdrückte jedes Gefühl, erwiderte Morgeads Blick und fragte gelassen: »Und was denkst du, was der Grund ist?«
Triumph blitzte in seinen Augen auf. »Jez Redfern. Das ist der Schlüssel, nicht wahr? Deine Familie.«
Ich werde ihn irgendwie töten müssen, dachte sie, aber er sprach weiter.
»Deine Familie hat dich geschickt. Hunter Redfern. Er weiß, dass ich die Wilde Macht wirklich gefunden habe, und er erwartet von dir, dass du es aus mir herausholst.«
Erleichterung strömte langsam durch Jez’ Adern, und ihre Bauchmuskeln entspannten sich.
Sie ließ sich nichts anmerken. »Du Idiot! Natürlich nicht. Ich mache keine Botengänge für den Rat.«
Morgead zog die Oberlippe hoch. »Ich habe nichts vom Rat gesagt. Ich sagte Hunter Redfern. Er versucht, den Rat zu hintergehen. Er will die Wilde Macht für sich selbst. Um die Redferns zum Glanz alter Zeiten zurückzuführen. Du machst Botengänge für ihn.«
Jez war vor Ärger die Kehle wie zugeschnürt. Dann lauschte sie auf den Teil ihres Verstandes, der ihr riet, die Fassung zu bewahren und klar zu denken.
Strategie , rief diese Stimme ihr zu. Er hat dir gerade die Antwort serviert, und du versuchst, sie wegzuschlagen.
»Okay; was wäre, wenn das die Wahrheit ist?«, fragte sie schließlich knapp. »Was, wenn ich tatsächlich von Hunter komme?«
»Dann kannst du ihm sagen, er kann mich mal. Ich habe dem Rat meine Bedingungen genannt. Ich werde mich mit nichts Geringerem zufrieden geben.«
»Und was waren deine Bedingungen?«
Er lachte höhnisch. »Als wüsstest du das nicht.« Als sie ihn nur anstarrte, zuckte er die Achseln und hörte auf, im Raum auf und ab zu gehen. »Ein Sitz im Rat«, antwortete er kühl und mit vor der Brust verschränkten Armen.
Jez brach in Gelächter aus. »Du«, erklärte sie, »bist wohl total durchgeknallt.«
»Ich weiß, dass sie ihn mir nicht geben werden.«
Er lächelte, und es war kein nettes Lächeln. »Aber ich erwarte, dass sie mir so etwas anbieten wie die Kontrolle über San Francisco. Und eine Position nach der Zeitenwende.«
Nach der Zeitenwende. Also nach der Apokalypse, nachdem die menschliche Rasse getötet oder unterjocht oder gegessen worden war oder was immer Hunter Redfern sonst im Sinn hatte.
»Du willst ein Prinz in der neuen Weltordnung sein«, sagte Jez langsam, und es überraschte sie, wie verbittert es klang. Es überraschte sie, wie überrascht sie war. War das nicht genau das, was sie von Morgead erwartete?
»Ich will, was mir zusteht. Mein Leben lang musste ich herumstehen und zusehen, wie Menschen alles bekamen. Nach der Zeitenwende werden die Dinge anders aussehen.« Er funkelte sie grüblerisch an.
Jez war noch immer übel. Aber sie wusste jetzt, was sie sagen musste.
»Und was bringt dich auf die Idee, dass der Rat nach der Zeitenwende noch da sein wird?« Sie schüttelte den Kopf. »Du wärst besser dran, dich auf Hunters Seite zu schlagen. Ich würde jederzeit auf ihn wetten, wenn es zu einer Konfrontation zwischen ihm und dem Rat kommen sollte.«
Morgead blinzelte einmal, wie eine Eidechse. »Er hat die Absicht, den Rat loszuwerden?«
Jez hielt seinem Blick stand. »Was würdest du an seiner Stelle tun?«
Morgeads Miene wurde keine Spur freundlicher. Aber sie sah in seinen Augen, dass sie ihn hatte.
Er wandte sich scharf ab und ging zum Fenster, um mit düsterem Blick hinauszuschauen. Jez konnte praktisch sehen, wie sich die Rädchen in seinem Kopf drehten. Schließlich wandte er sich wieder zu ihr um.
»In Ordnung«, sagte er kalt. »Ich werde mich Hunters Team anschließen - aber nur zu meinen Bedingungen. Nach der Zeitenwende ...«
»Nach der Jahrtausendwende wirst du bekommen, was du verdienst.« Jez konnte sich nicht beherrschen. Sie funkelte wild zurück. Morgead weckte ihre schlimmsten Eigenschaften, all die Dinge, die sie zu beherrschen versuchte.
»Du wirst eine Position bekommen«, räumte sie ein und spann eine Geschichte, von der sie wusste, dass er sie hören wollte. Sie
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