Herr der Daemmerung
versuchte, sich zusammenzureißen und herauszufinden, welche Muskeln welches Körperteil bewegten. Ihre Kehle brannte, und sie konnte Feuchtigkeit dort spüren. Ihr war schwindelig.
»Was ist los mit dir? Steh auf und verschwinde«, knurrte Morgead. Jez schaute ihn an. Er wirkte so groß aus dieser Perspektive. Seine grünen Augen waren so kalt wie Edelsteinsplitter.
Dann begriff sie, was nicht stimmte.
»Du hast zu viel Blut getrunken, du Mistkerl.« Sie versuchte, den Worten ihren gewohnten, schneidenden Tonfall zu verleihen, um ihre Schwäche zu verbergen. »Es sollte lediglich dem Ritus genügen, aber du hast die Beherrschung verloren. Ich hätte wissen müssen, dass es so kommen würde.«
Etwas flackerte in Morgeads Augen auf, aber dann verhärtete sich sein Mund. »Pech«, sagte er knapp. »Du hättest mir diese Chance nicht geben sollen.«
»Ich werde denselben Fehler nicht noch einmal machen!«
Sie mühte sich in eine sitzende Position und versuchte, sich nicht anmerken zu lassen, wie sehr es sie anstrengte. Das Problem war - wieder einmal -, dass sie kein Vampir war. Sie konnte sich nicht so schnell vom Blutverlust erholen ... aber das wusste Morgead nicht.
Nicht dass es ihn interessiert hätte.
Ein Teil von ihr zuckte bei diesem Gedanken zusammen, versuchte, Einwände zu erheben, aber Jez wischte sie beiseite. Sie brauchte jetzt all ihre Stärke und jede Mauer, die sie errichten konnte, wenn sie überwinden wollte, was gerade geschehen war.
Es hätte nicht geschehen dürfen , was immer es gewesen war. Es war ein schrecklicher Fehler gewesen, und sie konnte sich glücklich schätzen, dass sie mit dem Leben davongekommen war. Von jetzt an würde sie nur noch versuchen, es zu vergessen.
»Ich sollte dir wahrscheinlich sagen, warum ich hier bin«, erklärte sie und stand ohne ein wahrnehmbares Zittern auf. »Ich habe vorhin vergessen, es zu erwähnen.«
»Warum du zurückgekommen bist? Ich will es gar nicht wissen.« Er wollte nur, dass sie ging; das konnte sie an seiner Haltung erkennen, an der angespannten Art, wie er im Raum auf und ab wanderte.
»Du wirst es wissen wollen, wenn ich es dir sage.« Sie hatte nicht mehr die Energie, um ihn so anzuschreien, wie sie es eigentlich wollte. Aber sie konnte sich den Luxus nicht leisten, ihren Gefühlen nachzugeben.
»Warum denkst du immer, du wüsstest, was ich will?«, blaffte er, wobei er ihr den Rücken zuwandte.
»Okay. Führ dich ruhig so auf. Du würdest die Chance wahrscheinlich ohnehin nicht zu schätzen wissen.«
Morgead fuhr herum. Er funkelte sie auf eine Weise an, die bedeutete, dass ihm zu viele Gemeinheiten auf der Zunge lagen, als dass er sich für eine hätte entscheiden können. Schließlich fragte er beinahe unhörbar: »Welche Chance?«
»Ich bin nicht nur zurückgekommen, um die Gang zu übernehmen. Ich habe etwas mit ihr vor. Ich will uns mächtiger machen.«
In alten Zeiten hätte ihm die Idee ein Grinsen entlockt und ein boshaftes Funkeln in seinen Augen entzündet. Wenn es auch sonst kaum der Fall war - in Bezug auf Macht waren sie sich immer einig gewesen.
Jetzt stand er einfach nur da. Er starrte sie an. Sein Gesichtsausdruck wechselte langsam von kaltem Zorn zu argwöhnischem Begreifen. Seine grünen Augen wurden zuerst schmal, dann groß. Er stieß den Atem aus.
Und dann warf er den Kopf in den Nacken und lachte und lachte und lachte.
Jez sagte nichts, sondern beobachtete ihn nur, prüfte unauffällig ihr Gleichgewicht und war erleichtert, dass sie stehen konnte, ohne ohnmächtig zu werden. Doch schließlich konnte sie das Geräusch dieses Gelächters nicht länger ertragen. Es lag nur sehr wenig Humor darin.
»Willst du den Witz nicht mit mir teilen?«
»Es ist nur ... natürlich. Ich hätte es wissen müssen. Vielleicht wusste ich es auch, tief drinnen.« Er kicherte noch immer, aber es war ein bösartiges Geräusch, und seine Augen waren distanziert und erfüllt von etwas wie Hass. Vielleicht Selbsthass. Gewiss Verbitterung.
Ein Frösteln überlief Jez.
»Es gibt nur eins, das dich zurückbringen konnte. Und ich hätte das von der Sekunde an begreifen sollen, als du aufgetaucht bist. Es war nicht die Sorge um irgendjemanden hier; es hatte nichts mit der Gang zu tun.« Er sah ihr direkt ins Gesicht, die Lippen zu einem perfekten, boshaften Lächeln verzogen. Nie war er attraktiver gewesen. Oder kälter.
»Ich weiß, worum es geht, Jez Redfern. Ich weiß genau, warum du heute hier bist.«
Kapitel Zehn
Jez
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