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Herr der Daemmerung

Herr der Daemmerung

Titel: Herr der Daemmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa J. Smith
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noch deutlich sehen, in der nächsten war die ganze Welt blau. Nicht einfach blau. Ein feuriges, blendendes, blitzartiges Blau. Wie ein Special Effect in einem Science-Fiction-Film. Überall um sie herum schrie und knackte und zischte Blau, ein Kokon aus Blau, der sie umschloss und an ihr vorbeischoss und irgendwo vor ihr verschwand.
    Ich bin tot, dachte Jez. So fühlt es sich also an. Vollkommen anders als das, was man so hört.
    Dann begriff sie, dass sie ein schwaches Kreischen unter sich hören konnte. Es war Claire. Sie hielten einander immer noch fest umfangen.
    Wir sind beide tot. Oder wir sind in irgendeine Zeitschleife geraten. Der Rest der Welt ist verschwunden. Es gibt nur noch - das hier.
    Sie verspürte den Impuls, das blaue Zeug zu berühren, aber sie konnte sich nicht bewegen, weil Claire ihre Arme festhielt. Es wäre ohnehin vielleicht gefährlich gewesen. Überall wo es über sie hinwegfloss, konnte sie eine Art Kribbeln und Kitzeln spüren, als würde ihr alles Blut aus dem Leib gezogen. Es roch wie die Luft nach einem Gewitter.
    Und dann verschwand es.
    Urplötzlich. Nicht nach und nach. Aber Jez brauchte trotzdem mehrere Sekunden, um etwas zu sehen, weil dunkelgelbe Nachbilder sie blind machten. Sie brannten und tanzten vor ihr wie eine neue Art von Blitz, und sie begriff nur allmählich, wo sie eigentlich war.
    Auf den Bahngleisen. Genau dort, wo sie auch zuvor gewesen war. Nur dass jetzt einen guten halben Meter vor ihr ein riesiger, glatter, weißer Schnellbahnzug stand.
    Sie neigte den Kopf zur Seite, um zu seiner Nase aufschauen zu können. Aus diesem Winkel sah der Zug gigantisch aus, ein Ungeheuer aus Weiß, wie der Eisberg, der die Titanic versenkt hatte. Und er stand wie angewurzelt da, als hätte er schon immer dagestanden, wie ein gewaltiger Teil der Landschaft. Als habe er sich in seiner ganzen Geschichte niemals auch nur um einen Zentimeter bewegt.
    Leute schrien durcheinander.
    Sie kreischten und heulten und machten alle möglichen Geräusche. Der Lärm schien aus weiter Ferne zu kommen, aber als Jez hinschaute, konnte sie die Leute sehen, die zu ihr herunterstarrten. Sie standen am Rand des Bahnsteigs und wedelten hysterisch mit den Armen. Während Jez sie ihrerseits anstarrte, sprangen zwei Leute auf die Gleise.
    Jez sah ihre Cousine an.
    Claire holte keuchend Atem und hyperventilierte, und ihr ganzer Körper zitterte krampfartig. Sie starrte mit Augen, in denen nur noch Weiß zu sein schien, zu dem Zug hinauf, der über ihnen aufragte.
    Ein Lautsprecher dröhnte. Bei einem der Leute, die heruntergesprungen waren, handelte es sich um einen Mann in der Uniform eines Wachpostens, der zusammenhanglos auf Jez einredete. Sie verstand kein Wort von dem, was er sagte.
    »Claire, wir müssen jetzt gehen.«
    Ihre Cousine zog nur schluchzend Luft in ihre Lungen.
    »Claire, wir müssen jetzt gehen. Komm.« Jez’ ganzer Körper fühlte sich leicht und seltsam an, und als sie versuchte, sich zu bewegen, hatte sie das Gefühl zu schweben. Aber sie konnte sich bewegen. Sie stand auf und zog Claire mit sich hoch.
    Sie merkte, dass irgendjemand ihren Namen rief.
    Es war die andere Person, die auf die Gleise gesprungen war. Es war Hugh. Er griff nach ihr. Seine grauen Augen waren so groß wie die von Claire, aber nicht geweitet und hysterisch. Groß und still. Er war abgesehen von Jez die einzige gelassene Person in der Menge.
    »Komm. Hier herauf«, sagte er.
    Er half ihr, Claire auf den Bahnsteig zu hieven, dann kletterte Jez hinauf und bückte sich, um ihm zu helfen Als sie alle oben standen, schaute Jez sich um. Sie wusste, nach was sie suchte - ja. Da. Die Werwölfe, die sie bewusstlos geschlagen hatte. Es schienen inzwischen hundert Jahre vergangen zu sein, aber sie lagen noch immer dort.
    »Der andere Typ konnte fliehen«, sagte Hugh.
    »Dann müssen wir schnell weg hier.« Jez hörte ihre eigene Stimme, die leise klang und wie aus weiter Ferne. Aber langsam fühlte sie sich wieder besser mit ihrem Körper verbunden. Hugh führte Claire zum Aufzug. Jez trat an Claires andere Seite, und sie halfen ihr beide, sich auf den Beinen zu halten.
    Der Wachposten war hinter ihnen und schrie etwas. Jez konnte ihn noch immer nicht verstehen und ignorierte ihn einfach. Als sie die untere Ebene erreicht hatten, die die Bahnsteige verband, beschleunigten sie und Hugh das Tempo und zogen Claire mit sich. Sie stießen Claire durch das Tor für Behinderte neben dem Fahrkartenschalter und schwangen sich selbst

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