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Herr der Daemmerung

Herr der Daemmerung

Titel: Herr der Daemmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa J. Smith
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darüber.
    Von dort, wo sie jetzt waren, konnte Jez sehen, dass unter dem Zug auf dessen ganzer Länge weißer Qualm hervorquoll, der zischelnd in die stickige Luft aufstieg.
    »Wir können den Ausgang zur Straße nicht benutzen«, sagte Hugh. »Sie haben Autos dort draußen.«
    »Das Parkhaus«, entgegnete Jez.
    Sie machten sich auf den Weg zum Parkhaus, einem mehrstöckigen Backsteingebäude, das innen dunkel und kühl war. Sie rannten jetzt beinahe mit Claire in ihrer Mitte, und sie blieben erst stehen, als sie sich tief im Innern des Parkhauses befanden und Leere um sie herum widerhallte.
    Dann ließ Jez sich gegen eine der Ziegelsteinsäulen gleiten. Hugh krümmte sich und stützte die Hände auf die Knie. Claire sackte einfach zusammen wie eine Marionette, deren Fäden man durchschnitten hatte.
    Jez gestattete sich, einige Sekunden tief durchzuatmen, gestattete ihrem Gehirn, sich zu beruhigen, bevor sie sich langsam neben ihrer Cousine niederließ.
    Alle drei sahen ziemlich verwüstet aus. Hughs Hemd war zerrissen, und an den Schnittwunden in seinem Gesicht klebte getrocknetes Blut. Claires Haar war wild zerzaust, und sie hatte Kratzer im Gesicht und an den Armen. Jez selbst hatte auf den Gleisen eine Menge Haut verloren, und ihre Unterarme bluteten, wo Claire sie gekratzt hatte.
    Aber sie lebten. Jenseits aller Hoffnung lebten sie.
    In diesem Moment schaute Claire auf und sah, dass Jez sie musterte. Einige Sekunden saßen sie einfach nur da und blickten einander in die Augen. Dann streckte Jez die Hand aus, um ihre Cousine an der Wange zu berühren.
    »Du warst das«, flüsterte sie. »All diese Zeit - und du warst es.«
    Sie schaute zu Hugh auf und begann zu lachen.
    Er erwiderte ihren Blick; sein Gesicht leuchtete bleich im Halbdunkel. Er schüttelte den Kopf und begann ebenfalls zu lachen, aber es war ein zittriges Lachen.
    »Oh, Göttin«, sagte er. »Ich dachte vorhin, du wärst tot Jez. Ich dachte, ich hätte dich verloren.«
    »Anscheinend nicht, so lange sie in der Nähe ist«, meinte Jez und lachte noch lauter. Sie war leicht hysterisch, aber es kümmerte sie nicht.
    Hughs Lachen klang ein wenig wie ein Weinen. »Ich habe diesen Zug gesehen - und es war unmöglich, dass er rechtzeitig bremsen würde. Und dann - dieses Licht. Es ist einfach herausgeschossen - und der Zug ist darauf geprallt. Es war wie etwas Körperliches. Wie ein riesiges Kissen. Der Zug ist darauf geprallt und hat es zusammengequetscht, und dann wurde er langsamer und hat dieses Kissen weiter gequetscht ...«
    Jez hörte auf zu lachen. »Ich frage mich, ob die Leute im Zug verletzt worden sind.«
    »Ich weiß es nicht.« Hugh war jetzt ebenfalls ernst. »Sie müssen ziemlich durchgeschüttelt worden sein. Der Zug hat so stark gebremst. Aber es geht ihnen wahrscheinlich gut.«
    »Ich habe nur - von unten sah es aus wie ein Blitz ...«
    »Von oben auch. Ich habe mir nicht vorgestellt, dass es so aussehen würde ...«
    »Ich wusste nicht, dass es so machtvoll sein kann. Und überleg mal, sie ist untrainiert...«
    Da waren sie, eine Alte Seele und eine Vampirjägerin, die alles gesehen hatte, was die Straßen zu bieten hatten, und sie plapperten drauflos wie zwei Kinder.
    Es war Claire, die sie stoppte. Sie hatte zwischen ihnen hin und her geblickt und sich zunehmend mehr aufgeregt. Jetzt packte sie Jez am Arm.
    »Wovon redet ihr zwei?«
    Jez wandte sich zu ihr um. Sie schaute Hugh an, dann begann sie sanft zu sprechen.
    »Wir reden von dir, Claire. Du bist die Wilde Macht.«

Kapitel Sechzehn
     
    »Das bin ich nicht«, widersprach Claire.
    »Doch, das bist du sehr wohl«, sagte Jez, immer noch sanft, als rede sie begütigend auf ein Kind ein.
    »Das bin ich nicht.«
    »Du weißt ja gar nicht, was das ist.« Jez sah Hugh an. »Weißt du was? Mir ist gerade etwas klar geworden. Die Wilden Mächte sind angeblich alle im Jahr der Vision der blinden Jungfer geboren. Richtig?«
    »Ja ...«
    »Nun, ich habe gestern den ganzen Tag über versucht, es zu begreifen. Und jetzt habe ich es einfach verstanden, einfach so.« Sie schnippte mit den Fingern. »Ich habe gedacht, Vision bedeute Prophezeiung. Aber ich glaube, hier ist der medizinische Ausdruck gemeint. Das Augenlicht. Aradia hatte ihr Augenlicht nur für ein Jahr - und damit ist jenes Jahr gemeint. Vor siebzehn Jahren.«
    Hugh sah Claire an. »Und sie ist...«
    »Siebzehn.«
    »Na und?«, brüllte Claire. »Du bist auch siebzehn! Jede Menge Leute sind siebzehn!«
    »Ich auch«, warf Hugh

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