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Herr der Diebe

Herr der Diebe

Titel: Herr der Diebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Funke Cornelia
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zerkratzt war, schluchzte er so laut los, dass die anderen sich erschrocken zu ihm umdrehten.
Wespe war noch schneller bei ihm als Prosper. Tröstend schlang sie den Arm um Bo und strich ihm übers Haar, das am Scheitel schon wieder blond nachwuchs. »Geh nach Hause, Scip«, sagte sie ungeduldig. »Wir geben dir Bescheid, sobald wir wissen, wann wir uns mit dem Conte treffen. Vielleicht haben wir die Nachricht schon morgen Nachmittag, einer von uns geht gleich nach dem Frühstück zu Barbarossa.«
»Was?« Riccio schubste Mosca weg, der ihm das Blut von der Nase wischen wollte. »Wieso willst du ihm Bescheid geben?«
»Hör auf, Riccio!«, fuhr Prosper ihn ärgerlich an. »Ich hab Scipios Vater gesehen. Du würdest dich nicht trauen, dem auch nur einen Silberlöffel zu klauen. Und beichten würdest du es ihm erst recht nicht.« Riccio schniefte nur und presste sich den Handrücken unter die Nase.
»Danke, Prop«, murmelte Scipio. Seine Wange war gestreift wie Zebrafell von Riccios Fingernägeln. »Bis morgen!«, murmelte er, zögerte und wandte sich noch einmal um. »Ihr sagt mir wirklich Bescheid, oder?« Prosper nickte.
Aber Scipio zögerte noch immer. »Der Detektiv…«, sagte er.
»Der ist abgehauen«, meinte Mosca.
»Was?«
»Ach, das macht nichts. Wir haben sein Ehrenwort, dass er uns nicht verrät«, sagte Bo und befreite sich aus Wespes Umarmung. »Er ist nämlich jetzt unser Freund.«
Scipio guckte Bo so verblüfft an, dass Wespe laut loslachte: »Na, Freund ist wohl übertrieben«, sagte sie. »Du weißt ja, Bo hat einen Narren an dem Kerl gefressen. Aber verraten wird er uns wohl wirklich nicht.«
»Na, wenn ihr meint.« Scipio zuckte die Achseln. »Bis morgen dann.« Langsam schlenderte er durch die rot gepolsterten Sitzreihen, strich mit den Fingern über die Lehnen und musterte im Vorbeigehen den sternenbestickten Vorhang. Ganz langsam ging er, als warte er immer noch darauf, dass die anderen ihn zurückriefen. Aber keiner rief, nicht einmal Bo. Der streichelte seine Kätzchen.
Er hat Angst, dachte Prosper, als er Scipio nachsah, Angst, nach Hause zu kommen. Er erinnerte sich an Scipios Vater, wie er oben an der Treppenbrüstung gestanden hatte. Und Scipio tat ihm Leid.

Barbarossas Laden war leer, als Prosper die Tür aufstieß. Die Glöckchen über der Tür schepperten wild, und Bo blieb fasziniert auf der Schwelle stehen und blickte zu ihnen hinauf, bis Wespe ihn in den Laden zog. Eisig kalt war es geworden über Nacht. Der Wind kam nicht länger vom Meer, sondern von den Bergen, trocken und schneidend wehte er über Brücken und Plätze. Der Winter schickte keine Boten mehr, er war selbst in die Stadt des Mondes gekommen und griff ihr mit starren, frostigen Fingern in das alte Gesicht. »Signor Barbarossa?«, rief Wespe und musterte das Gemälde über der Theke. Auch sie wusste natürlich von dem Guckloch, durch das der Rotbart seine Kundschaft beobachtete. »Si, si, pazienza! «, hörten sie ihn mürrisch rufen. Barbarossas Augen waren blutunterlaufen, als er seinen Kopf durch den Vorhang vor seiner Bürotür steckte. Prustend schnäuzte er sich in ein gewaltiges Taschentuch. »Ah, ihr habt den Kleinen dabei. Passt auf, dass er nicht wieder etwas zerbricht. Was habt ihr mit seinem Engelshaar angestellt? Sag guten Tag, Zwerg.«
»Buon giorno«, murmelte Bo und schnitt Barbarossa hinter Prospers Rücken eine Fratze.
»Ah! Buon giorno. Sein Italienisch klingt langsam besser. Kommt herein!« Mit einer ungeduldigen Handbewegung winkte Barbarossa die Kinder in sein Büro.
»Der Winter, was zum Teufel will der Winter schon hier? Ist die ganze Welt verrückt geworden?«, schimpfte er, während er sich zurück an seinen Schreibtisch schleppte. »Diese Stadt ist schon im Sommer schwer zu ertragen, aber der Winter hier bringt den gesündesten Mann an den Rand des Grabes. Doch wem erzähle ich das? Kinder wissen von so etwas nichts. Kinder frieren nicht, Kinder hüpfen in Pfützen herum und bekommen nicht einmal einen Schnupfen. Der Schnee setzt ihnen eine Mütze auf den Kopf und sie stört das nicht, während unsereins mit jeder Schneeflocke dem Tod etwas näher kommt.« Seufzend, als wäre er ein sterbenskranker Mann, ließ Barbarossa sich in seinen Stuhl fallen. »Halsschmerzen, Kopfschmerzen und ständig tropft diese Nase!«, stöhnte er. »Abscheulich! Als wäre man ein menschlicher Wasserhahn.« Er zog sich den Schal noch etwas fester um den fetten Hals und musterte seine Besucher über den Rand des

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