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Herr der Diebe

Herr der Diebe

Titel: Herr der Diebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Funke Cornelia
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setzten sich auf ihre Gesichter und auf ihr Haar. Bo leckte sich verzückt eine von der Nase und streckte die Hände in die Luft, als wolle er sie fangen, während Wespe ungläubig hinauf zu den Wolken blinzelte. Seit Jahren hatte es nicht mehr geschneit in Venedig. Die Leute, die ihnen entgegenkamen, blickten ebenso verzaubert drein wie die Kinder. Sogar die Verkäuferinnen traten aus den Geschäften, um zum Himmel zu schauen.
Prosper, Wespe und Bo blieben auf der nächsten Brücke stehen, lehnten sich über die steinerne Brüstung und beobachteten, wie das silbrig graue Wasser die Flocken verschlang. Sacht deckte der Schnee die umstehenden Häuser zu, die rostbraunen Dächer, die schwarzen Balkongitter und die Blätter der Herbstblumen, die hinter den Gittern in Töpfen und Plastikeimern wuchsen. Prosper spürte den Schnee feucht und kalt auf seinem Haar. Und ganz plötzlich erinnerte er sich an ein anderes Land, fast vergessen, fern, an eine Hand, die ihm den Schnee aus den Haaren gestrichen hatte. Und er stand da, zwischen Wespe und Bo, starrte blind auf die Häuser, die sich im Wasser spiegelten, und wagte es, die Erinnerung ein paar Momente lang zu kosten. Verwirrt spürte er, dass es nicht mehr so sehr schmerzte, sich zu erinnern. Vielleicht lag es an Wespe und Bo, so warm und vertraut an seiner Seite. Selbst die steinerne Brüstung unter seinen Fingern schien vertraut und schützte ihn vor dem Schmerz. »Prop?« Wespe legte ihm den Arm um die Schulter und sah ihn besorgt an, während Bo dastand und die Flocken mit der Zunge fing. »Alles in Ordnung?«
Prosper wischte sich den Schnee vom Haar und nickte. »Mach den Umschlag auf«, sagte Wespe. »Ich will erfahren, wann ich den Conte endlich auch zu Gesicht bekomme.«
»Woher willst du wissen, dass er selbst kommt?« Prosper zog den Umschlag aus der Jacke. Er war versiegelt, wie der Umschlag aus dem Beichtstuhl, aber das Siegel sah seltsam aus. Als hätte jemand es mit roter Farbe überpinselt.
Wespe nahm Prosper den Umschlag aus der Hand. »Den hat jemand geöffnet!« Besorgt sah sie Prosper an. »Barbarossa!«
»Macht nichts«, sagte Prosper. »Deshalb hat der Conte Scipio den Treffpunkt schon im Beichtstuhl genannt. Er hat vorausgesehen, dass der Rotbart den Brief öffnen wird. Offenbar kennt er ihn sehr gut.«
Vorsichtig schlitzte Wespe den Umschlag mit ihrem Taschenmesser auf. Bo lugte ihr über die Schulter. Wieder stand die Nachricht des Conte auf einer kleinen Karte, aber diesmal waren es nur ein paar Worte. »Barbarossa hat vor Enttäuschung bestimmt in seinen Schreibtisch gebissen, als er den Umschlag geöffnet hat«, sagte Prosper und las vor:
    am verabredeten Treffpunkt auf dem Wasser haltet Ausschau nach einer roten Laterne in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch, 1 Uhr 
    »Morgen Nacht schon!« Prosper schüttelte den Kopf. »Um ein Uhr. Reichlich spät.« Er schob den Umschlag mit der Nachricht wieder in seine Tasche und zauste Bo das schwarz gefärbte Haar. »Das mit den riesigen Diamanten war wirklich gut, Bo. Habt ihr Barbarossas gierige Augen gesehen?« Bo leckte sich kichernd eine Schneeflocke von der Hand. Aber Wespe blickte voll Unbehagen über die Brückenbrüstung. »Auf dem Wasser?«, murmelte sie. »Wie meint er das denn? Soll die Übergabe etwa auf einem Boot stattfinden?« »Ist doch kein Problem«, antwortete Prosper. »Moscas Boot ist groß genug für uns alle.«
    »Stimmt«, sagte Wespe. »Aber es gefällt mir trotzdem nicht. Ich kann nicht gut schwimmen, und Riccio wird schon schlecht, wenn er Boote nur anguckt.« Besorgt sah sie hinunter auf den Kanal, der immer noch die Schneeflocken fraß. Eine Gondel glitt in den Schatten der Brücke. Fröstelnd hockten drei Touristen auf den zugeschneiten Kissen. Wespe beobachtete sie mit finsterer Miene, bis das Boot unter der Brücke verschwand.
»Du magst keine Boote?« Prosper zupfte spöttisch an Wespes dünnem Zopf. »Aber du bist doch hier geboren, ich denk, alle Venezianer lieben Boote.«
»Da denkst du falsch«, antwortete Wespe schroff und drehte dem Wasser den Rücken zu. »Kommt, die anderen warten bestimmt schon.«
Der Schnee machte die Stadt noch stiller als sonst. Wespe und Prosper gingen schweigend nebeneinanderher, aber Bo hüpfte wie ein Floh voraus und summte selbstvergessen vor sich hin. »Ich will nicht, dass Bo mitkommt zu der Übergabe!«, flüsterte Prosper Wespe zu. »Kann ich verstehen«, flüsterte sie zurück. »Aber wie willst du ihm das klarmachen, ohne dass er

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