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Herr der Diebe

Herr der Diebe

Titel: Herr der Diebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Funke Cornelia
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draußen. Beim Essen alberten Riccio und Mosca so herum, dass Victor irgendwann brummte, mit einer Horde Affen am Tisch könnte es auch nicht lauter zugehen. Aber Prosper sagte kein Wort. Als die anderen mit Ida und Victor Karten spielten, ging er schon nach oben. Ida hatte noch zwei Luftmatratzen aufgetrieben, damit es ihnen nicht zu eng wurde in den beiden Betten, die Riccio zusammengeschoben hatte. Wespe hatte sich eine davon schon an die Wand geschoben und alle ihre Bücher drum herum gestapelt. Mosca und Riccio hatten nicht gewagt, auch nur eins im Kino zu lassen. Prosper zog die zweite Luftmatratze unter das Fenster, durch das man den Kanal hinter Idas Garten sehen konnte. Die Decken aus Lucias Wäscheschrank rochen nach Lavendel. Prosper vergrub sich ganz tief darunter, einschlafen konnte er trotzdem nicht. Als die anderen um elf in die Betten krochen und Victor sich doch noch leicht schwankend auf den Heimweg machte, weil ihn das schlechte Gewissen zu seinen hungrigen Schildkröten trieb, schlief Prosper immer noch nicht. Aber er tat so. Mit dem Gesicht zur Wand lag er da und wartete darauf, dass die anderen einschliefen. Sobald Riccio im Schlaf leise kicherte, Mosca unter seiner Decke schnarchte und Wespe mit einem Lächeln zwischen ihren Büchern schlief, stand Prosper auf. Die abgetretenen Holzdielen knarrten unter seinen Füßen, aber davon wachte keiner der anderen auf. So sicher wie in Idas Haus hatten sie sich noch nie in ihrem Leben gefühlt.
Auf der Treppe nach unten stolperte Prosper fast vor Müdigkeit, aber wie sollte er jemals wieder schlafen können? Alles war verloren. Die gute Zeit war vorbei. Wieder einmal. Dieser Gedanke kam zurück, sooft er ihn auch fortschickte. Leise tappte er die Treppe ins Erdgeschoss hinunter. Die Masken starrten ihn aus der Dunkelheit an, doch diesmal machten sie ihm keine Angst. Lucia sperrte die Tür in der Küche ab, seit Ida ihr erzählt hatte, wie die Kinder nachts ins Haus gekommen waren. Sie hatte das rostige Schloss geölt und poliert. Die Tür quietschte leise in den Angeln, als Prosper sie öffnete und hinaus in den dunklen Garten trat. Weiß vom Raureif war alles. In der Nacht gehörte jeder Stein der Stadt dem Winter. Die Kälte schien bis hinauf zu den Sternen zu reichen. Dort, wo Idas Grundstück an den Kanal grenzte, war eine Pforte in der Mauer, nur ein paar Handbreit über dem Wasser. Prosper hörte, wie das Kanalwasser gegen den Fuß der Mauer schwappte, als er die Tür öffnete. Idas Boot schaukelte fest vertäut zwischen zwei bemalten Holzpfeilern, wie sie in der Stadt des Mondes überall aus den Kanälen ragten. Ihr Muster und die Farbe der Spitze verrieten, wem die Anlegestelle gehörte. Vorsichtig kletterte Prosper hinunter in das Boot, hockte sich auf die kalte Sitzbank und starrte zum Mond hinauf. Was soll ich tun?, dachte er. Sag schon. Was soll ich tun? Aber der Mond gab ihm keine Antwort.
In fast jeder Geschichte, die Prospers Mutter erzählt hatte, war er vorgekommen – der Mond. Ein mächtiger Verbündeter, der Träume wahr machen konnte und Türen öffnete, wenn man aus dieser Welt in eine andere schlüpfen wollte. Hier, in seiner eigenen Stadt, war der Mond eine Frau, la bella luna. Bo hatte das sehr gefallen. Aber egal, ob sie oder er – kleine Brüder konnte der Mond nicht zurückbringen.
Prosper saß in Idas Boot und die Tränen liefen ihm an der Nase herunter. Er hatte geglaubt, dies wäre seine Stadt, nur seine und die von Bo. Er hatte geglaubt, wenn sie sich hierher flüchteten, an diesen Ort, der so anders war als alle anderen Orte, dann wären sie sicher vor Esther. Esther gehörte nicht hierher. Esther verabscheute Venedig, sie war ein Eindringling. Warum hackten die Tauben nicht nach ihr? Warum bissen die Marmordrachen ihr nicht in den Nacken, warum brüllten die geflügelten Löwen sie nicht fort? Sie konnten ihn nicht beschützen, wie er geglaubt hatte. Wie wunderbar waren die Löwen ihm erschienen, als er sie das erste Mal wirklich gesehen hatte – nicht durch die Augen seiner Mutter, sondern mit seinen eigenen. Er hatte hochgeblickt zu ihnen, wie sie auf Säulen und zwischen den Sternen standen, hatte mit den Fingern über den kühlen Stein gestrichen und sich vorgestellt, wie sie die Wunder Venedigs bewachten. Und ihn. Als er mit Bo die Treppe der Riesen hinaufgestiegen war, drinnen im Hof des Dogenpalastes, und dort oben gestanden hatte, zwischen den gewaltigen Figuren, hatte er sich so sicher gefühlt wie ein König

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