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Herr der Finsternis

Herr der Finsternis

Titel: Herr der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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durchaus wahrheitsgemäß erwiderte, mein andauerndes Wohlergehen hinge von meiner Loyalität gegenüber meinen Herren hier ab, und daher stünde ich ihm gänzlich zu Diensten. Er musterte mich lang und eindringlich, als wolle er mir in die Seele schauen und herausfinden, ob ich ihn auf irgendeine Weise zum Vorteil von Don João betrügen wollte; und seine Augen waren so wild und durchdringend wie die des Jesuitenpaters Affonso, der die Exkommunikation ausgesprochen hatte. Doch die Absicht des Verrats lag nicht in mir; wie hätte Don Jeronymo sie also finden können?
    »Kannst du lesen, Piloto?« fragte er schließlich.
    »Aye.«
    »Dann lies das.«
    Und er reichte mir ein Dokument, das in wunderbaren Lettern auf weißem Pergament geschrieben war. Ich hatte einige Mühe damit, sowohl weil es in so schöner Handschrift verfaßt war als auch weil meine Kenntnisse der portugiesischen Sprache sich nur auf das gesprochene und nicht auf das geschriebene Wort erstreckten; doch ich konnte den Sinn durchaus verstehen und blickte erstaunt auf. »Soll ich der Kapitän Eurer Pinasse sein, Herr?« fragte ich.
    »Das ist dein Beglaubigungsschreiben, das du dem Gouverneur vorlegen mußt. Wir haben nur wenige Männer zu erübrigen: Du wirst mit einer kleinen Mannschaft auskommen und selbst zwei Pflichten auf einmal übernehmen müssen. Hast du schon einmal ein Kommando gehabt?«
    »Niemals.«
    »Nur gelotst?«
    »Aye«, sagte ich, wobei ich ihm allerdings nicht freiwillig berichtete, daß sich sogar meine Lotsenerfahrungen auf zwei Reisen diese Küste entlang und eine den Fluß Masanganu hinauf beschränkten.
    »Viele Lotsen sind schließlich Kapitäne geworden«, sagte Don Jeronymo. »Es heißt, du seiest überaus fähig. Ich zähle auf dich, daß du dich gut führst.«
    Ich war dadurch geehrt; doch mir kam auch der Gedanke, daß ich Verrat gegen England ausüben könnte, wenn ich das Kommando über ein portugiesisches Schiff übernahm, was ja ein höherer Dienstgrad war. Es war eine Sache, als Lotse zu dienen, und fürwahr eine andere, der Kapitän eines Schiffes zu sein, zumal sich Portugal formell mit meinem Vaterland im Krieg befand. Doch ich sagte mir, es würde keine Rolle spielen, was für eine Mütze ich an Bord meines Schiffes trug, solange ich keine feindlichen Akte gegen England unternahm. Und mir blieb keine Zeit mehr, über diese Dinge nachzudenken, denn Don Jeronymo zog andere Dokumente hervor, die ich dem Gouverneur von São Tomé überreichen sollte; eins, das die Probleme der Kolonie Angola unterbreitete und eine Verstärkung von etwa einhundert Soldaten forderte, die dazu beitragen sollte, die ruhelosen Sobas der äußeren Provinzen zu befrieden; und ein zweites, das den Männern aus São Tomé gestattete, als Entgelt für ihre Hilfe so viele Sklaven zu sammeln, wie sie es als angemessen erachteten. Als ich diese Schriftstücke gelesen hatte, kam Don Jeronymos Sekretär und versiegelte sie mit dickem braunen Wachs, und so war es eine beschlossene Sache, daß ich das Kommando über die Reise hatte.
    Sie hatten eine neue Pinasse gebaut oder besser eine ausgebessert, indem sie das alte Wrack genommen hatten, das auf der Insel Luanda lag, und es seetüchtig gemacht hatten. Das war die Doña Leonor, nicht ganz so wendig und schmuck wie die Infanta Beatriz, aber auch nicht ganz verschieden von ihr, und sie würde unseren Zwecken genügen. Doch meine Mannschaft war in der Tat sehr klein, was an den Verlusten lag, die uns der Schiffbruch und die Grausamkeit der Jaqqas eingebracht hatten, und ich verfügte kaum über halb soviel Mann wie auf der Reise nach Loango.
    Einige der Männer waren mir bekannt, etwa Mendes Oliveira und Pinto Cabral und Alvaro Pires, doch die meisten waren Neuankömmlinge in Angola, die mit den jeweiligen Schiffen aus Brasilien und Lissabon eingetroffen waren. Wenn sie verblüfft waren, plötzlich herausfinden zu müssen, einen Engländer als Kapitän zu haben, sagten sie nichts davon; doch womöglich nahmen sie es leicht, und es kam ihnen nicht seltsamer vor als alles anderes, was sie bislang in Afrika gesehen hatten. Ich schloß schnell meine Vorbereitungen ab, und wir stachen am fünfzehnten Tag des Juno anno 1593 in See.
    Diese Insel São Tomé liegt etwa zweihundert Meilen nordwestlich in der Mündung des Flusses Zaire im Golf von Guinea. Vier Jahre zuvor hatte ich dieser Gegend einen kurzen Besuch abgestattet, als ich mit Abraham Cocke an Bord der May-Morning fuhr und die Strömung oder die

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