Herr der Finsternis
Unwissenheit Kapitän Cockes oder seine Gier uns sehr weit südlich von unserem Kurs abgebracht hatten.
Als wir uns nun São Tomé von der anderen Seite näherten, hatten wir sehr viel Mühe damit, denn trockene Nordwinde bliesen uns die ganze Zeit über ins Gesicht, und unser Weg die Küste entlang war mit einer gewaltigen Anstrengung verbunden.
Um den Ausfluß des Zaire zu vermeiden, führte ich die Pinasse ein gutes Stück auf See hinaus, und das ging gut; doch ich wurde beinahe sehr übel geschlagen, als ich zur Küste zurückfuhr, wo ich in Loango Wasser und Proviant an Bord nehmen wollte. Der große Vorzug, sowohl Kapitän wie auch Steuermann zu sein, liegt darin, daß man niemandem bis auf Gott und seinem Gewissen verantwortlich ist; während unserer schwierigen Passagen hielt ich mit mir selbst Rat, machte ein tapferes Gesicht, schlug viel in meinen Wegen und anderen Karten nach, verkürzte und verlängerte und wechselte und schiftete die Segel so häufig, daß niemand mir zu widersprechen wagte. Wir hatten einen sehr schlimmen Augenblick, als sich der Wind in heftigen, ja teuflischen Stößen von Nord nach West drehte, ein Wind, der so stark war, daß er eine Farbe zu haben schien, einen leichten, purpurnen Ton, und ich wurde schmerzlich an den Wind erinnert, der mein letztes Unglück angekündigt hatte.
Die Wellen des Meeres hoben sich gewaltig, und wir schlingerten heftig. Drei große grüne Wellen brachen über das Schiff, und ihr Rollen ließ die Takelage und die Wanten auf der Backbordseite bersten, und einer meiner Männer wurde von Bord gespült und ertrank. Doch dann wurde es ruhig, und wir behoben die Schäden und setzten unsere Fahrt zur Küste fort, wo sanfte Wellen an der Linie des weißen Sandes leckten.
Als wir Loango erreichten, stellten wir fest, daß die Stadt in Sicherheit war: Die Übergriffe der Jaqqas, die sie so sehr gefürchtet hatten, waren ausgeblieben, und alles gedieh prächtig, wofür sie den Mokissos, die sie vor allen Dämonen beschützten, sehr dankbar waren.
Hinter Loango waren die Gewässer neu für mich, doch meine Karten erwiesen sich als gute Führer, und es kam nur darauf an, gegen die widrigen Winde anzukämpfen, was für einen Seemann genauso alltäglich ist wie das Pissen oder Stiefelschnüren. In all diesen langen Wochen kam jedoch meine härteste Prüfung, als der Wind leicht war und ich mit meinem Stellvertreter Mendes Oliveira auf der Brücke stand; beide waren wir untätig und blickten gen Westen, wo sich die dunkelblaue Schüssel des Meeres auf tausend mal tausend Meilen zu einer gewaltigen Leere zu wölben schien. Ich wandte mich an Oliveira, einen Mann von vierzig Jahren mit einem wettergegerbten, häßlichen Gesicht und einem langen, schütteren weißen Bart, und sagte leichthin: »Das Segeln geht nur langsam voran. Ich glaube, Don João wird in Portugal sein, bevor wir São Tomé erreicht haben.«
»Nein«, antwortete Oliveira. »Das wird nicht sein.«
Ich deutete nach Nordwesten, wo irgendwo Portugal liegen mußte, und sagte: »Sein Schiff ist im Mai aufgebrochen. Wenn es mittlerweile noch nicht in Lissabon ist, kann es nicht mehr weit davon entfernt sein.«
»Soviel gestehe ich dir zu, Piloto. Doch obwohl das Schiff in der Nähe von Lissabon sein mag, ist Don João dies nicht.«
»Das verstehe ich nicht.«
Oliveira beugte sich zu mir. »Soll ich dir ein Geheimnis verraten, das mir Pedro Faleiro verriet, bevor er das Schiff bestieg?«
»Sprich nur.«
»Don João ist schon tot. Der Befehl wurde von Don Jeronymo gegeben, an gewisse Gefolgsleute von ihm auf diesem Schiff; am siebenten Tag auf See sollten sie Don João ergreifen, ihn über Bord werfen und als vermißt melden.«
»Was?«
»Ich schwöre es! Faleiro hat mit den Männern getrunken, die angeheuert wurden, die Tat zu begehen, und auch Andrade, und in der Taverne brüsteten sich die beiden, mit Gold bezahlt worden zu sein, um Don João zu töten, und auch seine Mulattenkonkubine Doña Teresa, die…«
»Nay!« rief ich mit einer so gewaltigen Stimme, daß die Masten erzitterten. »Nay, das kann nicht sein!«
Und in der Tat glaubte ich in diesem Augenblick, daß es unmöglich war, daß Don João zu klug war und zu gute Beziehungen hatte, um solch einem Plan zum Opfer zu fallen, und daß meine Doña Teresa mit ihrer dunklen Haut und ihrer dunklen Seele auch von solch verschlagener Klugheit und überdies von ihrer Mokisso -Hexerei behütet war, um solch einer Schurkerei zum Opfer zu
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