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Herr der Finsternis

Herr der Finsternis

Titel: Herr der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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des Corrals zu kommen, wo das Tor war, und öffnete es und stieß das schwarze Mädchen zu mir hinaus, wobei er nicht sehr freundlich zu mir sagte: »Du darfst sie nicht allzu lange draußen behalten.«
    »Lange genug, um zu erfahren, was ich wissen möchte«, sagte ich und zog sie ein Stück beiseite, fort von dem Tor. Sie musterte mich verwundert und ehrfürchtig, als wäre ich ein Erlöser, der direkt vom Himmel herabgestiegen sei. Und als ich sie betrachtete, wie sie so schüchtern lächelte, ertappte ich mich bei dem Gedanken, es sei eine Schande, sie in den Käfig mit den Sklaven zurückzuschicken, aus dem ich sie geholt hatte. Ich glaube, es war in diesem Augenblick, daß mir der verrückte Einfall in den Kopf stieg, sie zu kaufen.
    »Wie bist du dort hineingekommen?« sagte ich zu dem Mädchen.
    Doch sie war der portugiesischen Sprache nicht mächtig genug, um mich zu verstehen. Ich begriff, daß sie nur ein paar Wortbrocken konnte und sich diese überaus sorgsam eingeprägt hatte, für den Fall, daß jemand dem Corral nahe genug kam, um sie verstehen zu können. So stellte ich meine Frage erneut, langsamer, und machte ein paar Zeichen und stumme Gebärden, um ihr die Bedeutung zu verdeutlichen. Diesmal verstand sie nach einigen Augenblicken. Sie sprach mir ein paar Worte nach, und ich nickte und ermutigte sie, und sie sprach erneut, diesmal deutlicher, und ihr Vertrauen in die Sprache wuchs, als sie sah, daß ich beabsichtigte, sanft und geduldig mit ihr zu sein. Und durch langsame und mühsame Sätze gelang es uns, zu einer gewissen Verständigung zu kommen.
    Während sie sich niederkauerte, um eine Art Landkarte in die weiche Erde zu kratzen, sagte sie, sie käme aus einer Provinz im Landesinneren des Territoriums von Angola, einem Ort namens Kazama im Lande Matamba, das dem König von Angola tributpflichtig war. Jesuitenmissionare seien dorthin gekommen, hätten eine kleine Kirche gebaut und das Volk mehr oder weniger zum Römischen Glauben bekehrt, und sie sei von ihnen auf den Namen Isabel getauft worden. Sie nannte mir auch ihren ursprünglichen Namen, doch diesmal ließ mein Ohr für seltsame Worte mich im Stich, denn der Name war so schrecklich auf meiner Zunge, ein derart verdrehtes, geschnalztes Ding, das sich beinahe wie ein Niesen anhörte, daß ich ihn nicht nachsprechen konnte, obwohl sie ihn mir dreimal nannte. Ich konnte ihn nicht einmal richtig zu Papier bringen. So nannte ich sie Isabel, obwohl mir dies nicht leicht fiel, da Isabel ein so europäischer Name und sie ein Geschöpf der dunkelsten Tiefen Afrikas war; danach nannte ich sie normalerweise immer »Matamba Isabel« und dann nur noch »Matamba«, was sie als ihren Namen akzeptierte, obwohl es in Wahrheit der des Landes war, aus dem sie kam, und gar keiner für einen Menschen; es war das gleiche, als hätte sie mich »England« genannt. Doch das kam alles erst später.
    Sie war durch ein doppeltes Unglück in die Sklaverei gefallen. Vor zwei Jahren – ich glaube zumindest, daß sie dies sagte – hatte sie ein umherziehender Trupp Jaqqas aus ihrem Dorf gestohlen und wollte sie zu einer der Ihren machen – wie ich schon bei dem Massaker in Muchima erfahren hatte, war es der Brauch der Jaqqas, aus den Dörfern, die sie geplündert hatten, die Mädchen und Jungen von dreizehn und vierzehn Jahren in ihren Stamm aufzunehmen. Doch sie hatte sich von den Kannibalen in die Dunkelheit des Dschungels davongestohlen und war kühn allein weitergewandert; es hatte sie nach Westen in einen Teil Angolas verschlagen, wo sie die Bewohner eines kleinen Dorfes gefunden hatten. Um für gewisse Waren zu bezahlen, nach denen es sie verlangte, hatten sie sie an einen umherziehenden Sklavenhändler verkauft, der seinerseits hatte sie zur Küste gebracht und an die Portugiesen weiterverkauft; die hatten sie gebrandmarkt und hier in São Tomé in den Pferch gesperrt, bis sie sie an Bord eines dieser stinkenden, schrecklichen, unerträglichen Sklavenschiffe bringen und in die Sklaverei und einen frühen Tod nach Amerika schicken konnten.
    »Gottes Blut!« rief ich. »Dies soll dir erspart bleiben!«
    Ich nehme an, es war ungerecht von mir, ein einziges Mädchen von all den anderen auszusondern und zu entscheiden, sie sollte nicht versklavt werden. Waren die anderen nicht genauso Menschen? Hatten sie nicht auch Hoffnungen, Ängste, Befürchtungen, Schmerzen, Ehrgeiz und all diese menschliche Fracht? War nicht jeder von ihnen der Mittelpunkt seines eigenen

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