Herr der Finsternis
Matamba davon. Wir waren alle im Hafenwirtshaus untergebracht, und es erhob sich ein lauter Schrei, als ich mit einem nackten schwarzen Mädchen erschien. Die Seeleute drängten sich um sie herum, als hätten sie noch nie weibliches Fleisch gesehen. Schnell machte ich deutlich, daß sie mir gehörte und nicht behelligt werden durfte; und dann gab ich sie in die Obhut der Sklaven des Wirtshauses, damit sie zu essen und Kleidung und Pflege bekam. Innerhalb von einer Stunde war sie mit einem Streifen roten Stoffes um die Hüften wieder da, der ihr Trost und Sicherheit zu verleihen schien, denn die afrikanischen Frauen ziehen es vor, ihr Geschlecht bedeckt zu halten, wenn auch nur mit einem Blatt oder Stroh oder einer Perlenkette, obwohl sie gar nichts darum geben, ihre Brüste oder Hinterbacken zu zeigen.
Ich nahm Pinto Cabral zur Seite und sagte: »Wie kann ich nun zehntausend Reis bekommen?«
»Was, du hast sie nicht?«
»Während meiner gesamten Zeit in Afrika bin ich mit keiner einzigen Kaurischale entlohnt worden.«
»Nun, dann mußt du sie dir borgen.«
»Wo? Wie finde ich einen jüdischen Geldverleiher?«
Er lachte und sagte: »Du brauchst keinen Wucherer, Piloto. Ich kann dir die Summe borgen, wenn Oliveira und ein paar andere mir dabei helfen, und du kannst sie uns von den Gewinnen zurückzahlen, die wir machen, indem wir auf der Heimfahrt in Loango Handel treiben.« Und er sprach mit dem ersten und einem zweiten und einem dritten und trieb die zehntausend schnell auf, was mir wie ein Wunder erschien – denn zehntausend Reis entsprachen damals drei englischen Pfund, was nicht wenig ist. Doch ich erfuhr bald, daß in diesen afrikanischen Kolonien leicht an Geld zu kommen ist, indem man wertlose Glasperlen gegen gleichermaßen wertlose Haare aus Elephanto-Schwänzen und diese Haare dann gegen Sklaven eintauscht, von denen man einen für zehntausend Reis verkaufen kann. So kam es, daß ich mich leichtfertig auf eine Summe in Höhe von drei Pfund verschuldete, was mir in England eine große Last gewesen wäre.
Und auf diese Art kam ich dazu, ein Sklavenmädchen zu erwerben.
Fürwahr, mein Leben war übermäßig seltsam geworden, und neue Dinge strömten in so großer Zahl so schnell auf mich ein, daß ich all diese Seltsamkeiten allmählich nicht mehr als Erschütterung empfand, sondern ein jedes Ding einfach nahm, wie es kam, und sie als den normalen Fluß des Lebens ansah.
9
Der portugiesische Gouverneur von São Tomé kehrte schließlich von seinen Geschäften auf dem Festland zurück, empfing mich, erkannte meine Beglaubigung an und nahm die Briefe von Don Jeronymo entgegen, in denen dieser um militärische Unterstützung bat. Nach ein paar Tagen ließ er mir eine Antwort zukommen, die besagte, daß er für die Genehmigung, in dem Gebiet, das Don Jeronymo unterstand, Sklaven fangen zu dürfen, jetzt sofort dreihundert Mann an Angola abstellen würde und dreihundert weitere, wenn die Regen der Tagundnachtgleiche kämen. Ich sagte, ich hielte dies für eine zufriedenstellende Übereinkunft, und verabschiedete mich von ihm.
Wir waren nun aus unseren Pflichten in São Tomé entlassen und schickten uns an, den Ort zu verlassen, was keiner von uns auch nur im geringsten bedauerte.
Auf unserer Fahrt gen Süden hatte ich mich mit einer neuen Schwierigkeit zu befassen, nämlich der Anwesenheit des Mädchens Matamba inmitten einer Mannschaft wollüstiger Männer. Die Pinasse war klein, und es gab nur zwei Kabinen, von denen eine mir und die andere Oliveira gehörte. Die anderen schliefen auf Deck, woran sie gewöhnt waren. Doch ich wagte nicht, Matamba zwischen ihnen schlafen zu lassen, oder sie hätten sie höchst schändlich benutzt, gleichgültig, welche Anweisungen ich ihnen gegeben hatte, sie unangetastet zu lassen: Es entspräche nur ihrer menschlichen Natur, so zu verfahren. Ich konnte sie ihnen nicht überlassen, damit sie sich an ihr vergnügten. Was konnte ich also tun? Nun, ich mußte sie in meiner Kabine unterbringen.
Diese meine Kabine war lang und schmal, mit einer Schlafstätte auf der linken Seite, einer eichenen Truhe für Karten und Instrumente ihr gegenüber und etwas Raum zum Schreiten dazwischen. Ich spannte über diesen Raum eine Hängematte für sie auf, doch sie musterte sie mit langem Gesicht und bedeutete mir mit Gesten, sie fürchtete, durch das Schwanken des Schiffes hinauszufallen. So beschaffte ich mir gewebte Palmstoffmatten und legte sie auf den Boden neben meiner Koje, was
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