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Herr der Finsternis

Herr der Finsternis

Titel: Herr der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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für sie annehmbar war.
    In dieser Nacht hatte ich die Frühwache, und als ich nach meinen vier Stunden die Kabine betrat, schlief Matamba schon auf dem Boden zusammengerollt, die Knie an ihrem Busen und den Daumen wie ein Kleinkind in den Mund geschoben. Fürwahr erinnerte sie mich an nichts so sehr wie an ein Kind, wie sie friedlich dort lag und nach dem langen Schrecken des Sklaven-Corrals endlich wieder Seelenfrieden gefunden hatte. Im Kerzenschein sah ich zu ihr hinab und schaute mit Vergnügen ihre glatte, feste, dunkle Haut, die starken, fleischigen Glieder und die festen Brüste: Denn trotz aller Qualen, die sie erlitten hatte, war sie gesund und kräftig und hatte die Lebenskraft der Jugend, wie ein stämmiges junges Füllen, das viele Achtelmeilen an einem Stück im leichten Galopp reiten konnte.
    Ich lächelte sie an, löschte mein Licht, legte mich in der Dunkelheit nieder, sprach ein oder zwei Gebete und schlief schnell ein.
    Die nächsten zwei oder drei Nächte war es dasselbe: Sie lag nackt neben mir, und ich berührte sie niemals. Die Versuchung kam über mich, doch ich erlag ihr nicht. Am Tag legte sie keusch ihren knappen Lendenschurz an und übernahm einfache Aufgaben an Bord, so half sie zum Beispiel beim Ausgeben der Mahlzeiten. Im Glauben, ich würde mich des Nachts an ihr vergnügen, bedachten die Männer mich mit ihrem neidischen, wissenden Grinsen, doch ich schenkte ihnen keine Beachtung.
    Doch die natürliche Anziehungskraft der Geschlechter ist etwas, das automatisch in uns erwacht, und ich bin dagegen noch nie besonders gefeit gewesen. Es kam eine Nacht, als ich auf sie hinabschaute und den Drang verspürte. Es war, als ich von meiner Wache kam und mich zum Schlaf niederlegen wollte und über ihr stand, wie sie schlief, auf dem Rücken liegend, die Beine ein wenig gespreizt, und kein Fetzen bedeckte sie. Und ich dachte: warum nicht? Sie würde mich nicht zurückweisen. Ich war ohne Frau. Doña Teresa war wahrscheinlich tot – wie mich das schmerzte! – und Anne Katherine könnte genausogut auf dem Mond leben – auch das schmerzte mich, doch nicht auf eine so direkte, unmittelbare Art, nicht nach so vielen Jahren – und ich hatte meine Gelüste wie jeder andere; wollte ich denn den Rest meiner Tage in Afrika wie ein Mönch verbringen? Hier war eine Frau. Nigra sum, sed formosa. Sie war mehr oder weniger eine Christin. Und sie war zumindest keine Wilde. Und sie stand zur Verfügung.
    Warum nicht? Fürwahr, warum nicht? Und doch tat ich es nicht. Einige kleine Gewissensbisse hielten mich davon ab; schließlich war sie ja eine Sklavin und eine Mohrin.
    So glitt ich zwischen meine Laken und lag eine Zeitlang wach, etwas verdrossen in meinem Drang, und erörterte diese Dinge endlos lange mit mir selbst, sagte mir, ich müsse nur neben mich greifen und sie zu mir holen oder mich zu ihr legen und in sie eindringen, und das wäre es gewesen. Doch ich tat es nicht, und obwohl der Schlaf nur langsam zu mir kam, mußte er schließlich gekommen sein, denn ich glitt in schlimme Träume voller Zähne und Klauen und dunkler Gewässer, in denen verborgene Monstrositäten lauerten.
    Und in der Nacht kam der Speer eines Blitzes, der die Dunkelheit in Tag verwandelte, und ein rollender Donner, der wie die schweren Posaunenklänge des Tags des Jüngsten Gerichts über uns kam, und solch ein peitschender Regen, daß das Meer kochte und in seiner Wut weiß wurde. Ich erwachte augenblicklich und dachte, ich müsse auf Deck hinausgehen und nach den Masten und Segeln sehen, obwohl es Oliveiras Wache war und ich wußte, daß er imstande war, selbst dafür zu sorgen. Doch als ich mich aufsetzte und in der Dunkelheit die Augen zusammenkniff und rieb, bewegte sich etwas in der Kabine, und Matamba warf sich in mein Bett und flüsterte: »Ich habe Angst! Ich habe Angst!«
    Erneut ein Blitz. Erneut der Donner und noch schrecklicher.
    Sie zitterte wie jemand, der auf der Schwelle eines epileptischen Anfalls stand, und hieb und trat und schlug um sich, so daß ich sie in meine Arme nehmen mußte, um uns beide vor Verletzungen zu schützen. Und ich sprach tröstende Worte und streichelte ihren Rücken, der feucht war vom Angstschweiß, der ihr aus jeder Pore brach. Die Pinasse rollte und schwankte mittlerweile und schlug ihre Seiten gegen die hohen Wellen, und ich hörte, wie die Männer auf Deck arbeiteten, und wußte, daß ich eigentlich zu ihnen hinaufgehen und ihnen helfen mußte. Doch Gott vergebe mir, ich konnte es

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