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Herr der Finsternis

Herr der Finsternis

Titel: Herr der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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verstrichen, wie ich Euch nun darüber berichte. Und doch spüre ich die Last dieser Jahre noch immer in mir; sie hängt an meiner Seele, wie eiserne Ketten einst an meinen Beinen hingen. Ein Gefangener kann seine Ketten ablegen, wenn er begnadigt wird, doch ich kann niemals meine Jahre in Masanganu ablegen, nicht bis zu jenem letzten Tage, da ich all die Last ablege, die meine Seele trägt.
    Ich habe Euch bereits etwas über diesen Ort berichtet, der dort liegt, wo die Flüsse Kwanza und Lukala zusammenfließen, an der Innenseite der Küstenebene Angolas, in einer Gegend, die sowohl feucht wie auch erdrückend heiß ist. Zwischen den Sümpfen und Marschen von Masanganu erhebt sich das bleiche Steinfort der Portugiesen auf einer kleinen Landzunge, in einer Region, wo die Hitze am größten ist, die Sonne den ganzen Tag über und auch die halbe Nacht, schätze ich, am Himmel steht, denn in den Stunden der Dunkelheit ist es nicht kühler als zur Mittagszeit.
    Dieses Fort hat eine ideale Lage, die Innenlande zu bewachen, denn es blickt den Bergen entgegen, die sich im Inneren Angolas erheben, und jede feindliche Macht, die aus diesen urwaldbewachsenen Hochlanden hinabsteigt, muß auf jeden Fall in die Sichtweite von Masanganu kommen, bevor sie hoffen kann, São Paulo de Luanda zu bedrohen. Und so steht in Masanganu ständig eine Garnison, um den Ort gegen alle vordringenden Feinde aus dem Osten oder Norden zu schützen.
    Das heißt, ständig in dem Sinne, daß es in Masanganu jederzeit Soldaten gibt, und zwar ein paar hundert; doch die Männer selbst leben dort nie sehr lange, denn sie werden immer wieder von den Krankheiten des Ortes dahingerafft. Daß sich Gott entschieden hat, mich vor diesen Leiden zu verschonen, ist wohl ein Beispiel der großen Gnade, die Er mir widerfahren ließ und die Er mir während meiner Abenteuer in Afrika in vielerlei Hinsicht erwies; doch die ganze Zeit über, da ich dort war, hielt ich mich unter Männern auf, die von dieser oder jener Pest schrecklich befallen waren, und ich lernte, keine schnellen Freundschaften zu schließen, da kaum die Aussicht bestand, daß eine solche lange bestehen würde.
    An diesem Ort kommt eine Kolik vor, die überaus tödlich ist, und eine rote Ruhr und eine Art Kopfweh, das einem Schmerzen über jedes Maß bereitet; und es gibt dort auch das Fieber, das mich bei meinem ersten Besuch dort niederwarf, und ich sah, wie eine Vielzahl Männer von ihm dahingerafft wurden, obwohl es mich nach jenem ersten Mal nicht mehr befiel. Und es gibt auch eine Wurmart in Masanganu, die heimlich in den Körper eindringt, zumeist in die fleischigen Teile wie die Schenkel, die Hüften, die Brust oder sogar das Skrotum und den After, und ich glaube, die Krankheit, die dieser Wurm verursacht, ist die schlimmste von allen. Der Wurm zeigt sich im allgemeinen durch das Anschwellen des Fleisches; bei manchen Menschen verursacht er starkes Wechselfieber, bei dem die Betroffenen sich heftig schütteln; andere quält er mit unerträglichen Schmerzen im gesamten Körper, so daß sie in keinerlei Körperhaltung ruhen können; andere stürzt er in ein heftiges Fieber und anschließendes Delirium. Doch jene Männer, die an ihren Geschlechtsteilen betroffen sind, leiden mehr als alle anderen und werden in ihrer Qual geradezu verrückt und gewalttätig, daß es von Nöten ist, sie zu fesseln.
    Die einzige Art und Weise, diese abscheuliche Krankheit zu heilen, besteht darin, den Wurm sehr behutsam zu ergreifen, sobald sein Kopf aus der Schwellung hervorschaut, und diesen an einem kleinen Holzstäbchen festzubinden, an dem man ihn langsam und vorsichtig herauszieht, indem man ihn um das Holz wickelt, bis er den Körper ganz verlassen hat, was manchmal einen Monat lang dauern kann. Sollte der Wurm abreißen, indem man ihn zu schnell herauszieht, wird der Teil, der im Körper verblieben ist, bald verfaulen oder an eine andere Stelle wandern, was doppelten Schmerz und doppelte Mühe bereitet. Ich sah derart befallene Männer, für die man keine andere Möglichkeit fand, ihr Leben zu erhalten, als ein Bein, einen Arm oder die Geschlechtsteile zu amputieren; und wenn der Wurm im Körperrumpf steckt und abreißt, ist es fast ein Wunder, wenn der Betroffene nicht am Brand der lebenswichtigen inneren Organe stirbt. Von meiner Ankunft in Masanganu gegen Ende des Jahres 1594 bis zu meiner Abreise dort im Frühjahr Anno 1600 verging kein einziger Tag, an dem ich meinen Körper nicht voller Furcht und

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