Herr der Finsternis
einen Augenblick lang mein eigener Herr. Dies hatte mich zwar nicht gebrochen, aber doch die scharfe Spitze meines Verstandes abgestumpft. Obwohl ich noch immer davon träumte, dieses dunkle und schwüle Land verlassen und wieder nach England zurückkehren zu können, war dieser Traum für mich nun nur noch ein trügerisches Irrlicht und so weit entfernt von der Wirklichkeit wie für ein kleines Kind die Hoffnung auf den Himmel.
Ich arbeitete. Ich aß. Ich schlief. Ich schwitzte. Das waren die Grenzen meines Lebens in Masanganu. Und ich sage Euch, diese Einstellung ließ die Zeit schneller vorbeiziehen, wenn sie mich nicht gar gegen meine Gefangenschaft unempfindlich machte. An diesem Ort, an dem es kaum einen Wechsel der Jahreszeiten gab, wo jeder Tag und jede Nacht das ganze Jahr über von gleicher Länge sind, wo man den Winter nur an dem Wechsel von der nassen zur trockenen Jahreszeit vom Sommer unterscheiden kann und die schreckliche Hitze alles beherrscht, scheint die Zeit fürwahr in einer einzigen, undurchbrochenen Abfolge der Stunden zu vergehen, und ich wußte nicht, ob wir das Jahr 1595 oder 1596 oder 1597 schrieben. Irgendwo weit entfernt gab es ein England, in dem es noch ein Ostern und ein Weihnachtsfest und die Ausgelassenheit des Hochsommers gab, wo eine Königin in Würde und Glanz über einen prächtigen Hof mit Herzögen und Lords und Rittern regierte, wo Mädchen verheiratet und Mütter wurden, wo ein ständiger Wechsel, eine immerwährende Veränderung die Regel war: und hier plackte ich mich an einem zeitlosen Ort des größten Ungemachs und der Schrecklichkeit ab, und ein jeder Tag war der Zwilling des voraufgegangenen.
Es gab nur eine Unterbrechung unseres Lebens des Gleichmaßes, und zwar, als sich König Ngola erhob, der größte Feind Portugals in dieser Gegend, und unser Presidio belagerte. Ich glaube, dies geschah im Jahre des Herrn 1597.
Wir hatten genügend Warnungen erhalten, denn unsere Späher berichteten aus der gesamten Provinz, daß ein Heer zusammengezogen wurde, mit wildem Schlagen der Kriegstrommeln, großem Geschrei und Schwingen der Waffen, und daß die Zauberer hölzerne Glocken schlugen, was bei diesem Volk zu den rituellen Vorbereitungen eines Krieges gehört. Dann kamen sie über uns, zuerst eine Prozession der Zauberer und Medizinmänner, die Körper eingehüllt in die starken Blätter der Matteba, eines Baumes, der der Palme sehr ähnelt, so daß es den Anschein hatte, als marschiere der Wald selbst auf uns zu; und dann die Krieger selbst in ihrer wilden Kampfeskleidung, mit dem hohen Kopfschmuck, den eisernen Ketten und klingelnden Glöckchen, wie ich sie schon einmal bei dem Angriff des Kafuche Kambara gesehen hatte. Es waren Tausende von ihnen, die wie groteske Spukerscheinungen und Incubi vor uns auf und ab sprangen, Pfeile und Speere fliegen ließen, heisere, jaulende Schreie ausstießen und einen Todestanz aufführten.
Doch wir hatten gut gebaut und waren hinter den Mauern unseres Forts nicht angreifbar, so daß sie eine Woche lang tobten und schrien, uns aber kein Leid antun konnten. Wir konnten auch keinen Schaden unter ihnen anrichten, wie ich hinzufügen muß, und hätte die Belagerung viele Wochen länger gewährt, so wären wir alle an Hunger, wenn nicht gar an den Krankheiten dieses Ortes gestorben. Wir wagten es nicht, das Presidio zu verlassen und zu unserem Friedhof zu gehen, und wann immer einer von uns an einer Krankheit starb, verbrannten wir seine Leiche und verstreuten die Asche, was Gott und der Kirche vielleicht nicht gefiel, uns jedoch vor der Ausbreitung dieser Krankheit schützte. Und nach einer Weile kam unter dem Kommando von General Balthasar Rebello de Aragao die Hauptstreitmacht der Portugiesen von São Paulo de Luanda herbeimarschiert und vertrieb die Schwarzmohren, als wären sie nichts weiter als Ungeziefer, und befreiten uns. Woraufhin dieser Rebello de Aragao den Kwanza hinabfuhr und in der Nähe des Dorfes Muchima ein neues Presidio errichtete, bei dessen Bau ich teilhatte.
Doch dann zog wieder das alte, müde Leben in Masanganu ein, und ich verlor erneut den Überblick über die Monate und Jahre. An einem Tag erfuhr ich zufällig, daß wir den November des Jahres 1598 schrieben, so daß der vierzigste Jahrestag meiner Geburt gekommen war. Es erschien mir, ein sehr hohes Lebensalter erreicht zu haben, besonders eingedenk solch vieler Leiden.
»Ich bin vierzig Jahre alt«, sagte ich mehrmals laut zu mir selbst, und es klang
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