Herr der Finsternis
schlug ihn nicht, wie ein anderer es vielleicht getan hätte. Ich spuckte nicht aus. Ich rief nicht, daß der katholische Glauben ein Verrat an England ist und ich kein Verräter sei. Ich bin in dieser Hinsicht nicht erregbar. Obwohl ich all dies empfand, sagte ich nur: »Das werde ich nicht. Wir haben unseren eigenen englischen Glauben, und wir ziehen ihn vor, denn er ist der einzige Trost, der uns jetzt noch bleibt.«
Der Mönch seufzte. Er war keiner von der grausamen Sorte. »Wir könnten euch hier in unserem Kloster behalten, wenn ihr unseren Glauben annehmen würdet. Ansonsten werdet ihr von hier fortgeschickt werden, denn sie wollen keine Ketzer in der Mühle.«
»Wohin werden wir geschickt?« fragte Thomas Tomer.
»São Paulo de Luanda«, erwiderte der Jesuit.
»Jesus!« rief Tomer. »Nach Afrika?«
4
Fürwahr, nach Afrika, in dieses dunkle und feuchte Land, von dessen gewaltigem Busen eine Milch der Geheimnisse und des Schreckens strömt.
Die Portugiesen hatten sich dort schon vor langer Zeit eine sichere Stellung verschafft, waren nach Süden und Süden und Süden gesegelt, bis sie die Spitze des Kontinents umrundet hatten, das Kap Bona Speranza, und waren nach Indien weitergefahren. So hatten sie sich ein gewaltiges Weltreich geschaffen, dessen Ausdehnung, wenn man sie betrachtet, einen im Kopf benommen macht. Dies war zu einer Zeit gewesen, da wir Engländer törichterweise kein Interesse daran hatten, die Meere weit zu befahren, sondern damit zufrieden waren, nur nach Flandern oder Portugal oder Frankreich zu segeln oder zum Fischen manchmal nach Island oder Neufundland. Überall an beiden Küsten Afrikas hatten die Portugiesen Städte und Festungen für ihren Handel gegründet, der gänzlich aus all den wundersamen Gütern dieses Landes bestand, aus Gold und Gewürzen und dem Elfenbein der Elephantos, doch besonders aus Sklaven: und es war einer dieser Vorposten, neun Grad südlich der Äquatorlinie in dem Land namens Angola, zu dem Tomer und ich nun verfrachtet wurden.
Es war eine lange und mühsame Reise, denn die Winde waren widrig, und die Stürme bliesen uns einen Großteil der Zeit ins Gesicht. Wir fuhren auf einem breiten und schweren Handelsschiff von vielleicht dreihundertundfünfzig oder noch mehr Tonnen, mit einer dementsprechend großen Menge an Segeln, die sich an Masten blähten, die nach dem holländischen Prinzip angelegt waren. Das heißt, es gab Marsstenge mit Eselshäuptern { * } und Stützen, die Marssegel von gewaltiger Größe und Bramsegel darüber trugen, die ich noch nie zuvor aus dieser Nähe gesehen hatte. Doch trotz allem konnte man das Schiff kaum auf östlichem Kurs halten, und wir alle rollten elendig in der rauhen und widrigen See.
Kalter Zorn und heiße Wut schossen abwechselnd durch meinen Geist. Ich konnte es nicht ertragen, ein Gefangener zu sein. Ich wollte England und Essex und Anne Katherine und mein Stück Land und konnte nichts haben; und oft dachte ich daran, mich ins Meer zu stürzen, wenn ich nur eine Gelegenheit dazu gehabt hätte. Doch ich wußte, das war nur hohle, gespielte Tapferkeit. Denn trotz all meiner Pein hätte ich mich nicht dem Tod ausgeliefert, weder damals noch überhaupt jemals.
Tomer war mein Schanzkleid. Dieser einzige mir verbliebene Gefährte war zehn Jahre älter als ich, ein stämmiger, wettergegerbter Mann, der auf vielen Meeren gesegelt war. Oftmals verlor er selbst den Mut, doch immer zu anderer Zeit als ich, so daß wir uns abwechselnd einander aufheiterten. »Sieh doch, wir werden zu Hause sein, bevor du Hans Sprotte sagen kannst!« rief er. »Während wir den Atlantik überqueren, wird eine gute englische Brigg über diese alte Schute herfallen, sie kapern und uns an Bord nehmen!«
Dies geschah nicht. Doch es war angenehm, davon zu träumen.
An den ersten drei Tagen wurden Tomer und ich in Ketten gehalten, als fürchteten die Portugiesen, wir würden uns des Schiffes bemächtigen, wenn man uns nur ließe. Das Metall war rostig und roh und scheuerte uns überaus grausam wund, so daß unsere Handgelenke bluteten und vor Schmerzen brannten. Wir lagen wie zwei Klafter Holz auf Deck, gefesselt und verstaut, und die Matrosen gingen um uns herum und schenkten uns keine Beachtung oder funkelten uns manchmal an und spuckten aus oder machten mit ihren Fingern das Zeichen des Horns oder mit den Händen das Zeichen des Kreuzes, als wollten sie den bösen Einfluß von Dämonen abwehren.
Ich haßte ihren Haß. Was hatte ich ihnen
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