Herr der Finsternis
Matamba?« sagte ich. »Doch zumindest haben wir beide überlebt. Berichte mir, was dir in diesen sechs Jahren zugestoßen ist, und dann werde ich dir meine Geschichte erzählen.«
»Die Worte… zu schnell…«
»Du hast dein Portugiesisch vergessen, nicht wahr?«
»Ich spreche… wenig…«
»Ah. Ja. Wenn du willst, können wir uns in deiner Kikongo-Sprache unterhalten. Ich kenne noch ein paar Worte dieser Zunge.«
»Nein… Portugiesisch…«
Aye. Sie wollte die Sprache zurückhaben.
So war ich zärtlich und sanft mit ihr, und wir sprachen ein wenig, und sie ruhte, und wir versuchten es erneut mit ein paar Worten, und ich bestellte weiteres Essen für sie. Dann war sie müde und legte sich nieder, und später gesellte ich mich zu ihr ins Bett; doch ich hatte mittlerweile all meine Lust vergessen und hielt sie bis zum Morgen lediglich in den Armen. Ihr nackter Körper war ein beklagenswerter Anblick; Schwangerschaftslinien kerbten sich tief in ihren Bauch, und ihre Schenkel, die einst so fest und lebhaft gewesen waren, waren nun faltig und runzlig, und ihre ganze Schönheit war schrecklich zugrunde gerichtet. Und doch schien sie schon nach einem Tag und einer Nacht aufzumuntern und wieder sie selbst zu werden. Bei Gottes Wundmalen, wie mußte sie unter ihren Nöten, an ihrem Elend gelitten haben, bevor ich sie zwischen den Huren fand!
Es schmerzte mich, sie in jenen frühen Tagen zu beobachten, wie sie durch mein Zimmer humpelte, oftmals stehen blieb, um ein Gebet zu murmeln und sich zu bekreuzigen, und immer darum kämpfte, Kraft zu finden, um nicht aufzugeben. Denn sie war ein Wrack, eine gestrandete Hülle, die die schlimmsten Naturgewalten überstanden hatte und alle Anzeichen davon zeigte. Sie weinte oft und zitterte vor einer inneren Kühle oder vielleicht der Erinnerung eines Schüttelfrostes. Doch einen jeden Tag war sie weniger verfallen als am Tag zuvor, wofür ich Ihm, der unsere Errettung ist, zutiefst dankte.
Langsam und allmählich erholte sie sich wieder, gewann etwas Kraft zurück und beherrschte auch die portugiesische Sprache besser, als ihr Körper ihrem Geist Unterstützung anbot. Innerhalb von etwa einer Woche fielen Monate des Leidens von ihr ab, so daß sie nicht mehr gar so fürchterlich anzuschauen war. Doch über jeden Zweifel hinaus würde sie nie wieder jenes göttliche schwarze Mädchen sein, das ich in São Tomé gekauft hatte, bestenfalls nur noch ein Schatten ihrer selbst.
Sie erzählte mir die Geschichte ihrer Leiden, die mein Blut abkühlen ließ wie ein Wintersturm aus dem Norden.
Sie sagte, nach meiner Verhaftung sei sie von meinen anderen Dienern ergriffen, heftig verprügelt und nackt aus meiner Hütte geworfen worden, so daß sie davonkriechen mußte. Einige portugiesische Soldaten fanden sie und nahmen sie in der selbigen Stunde noch fröhlich im Gebüsch, einer nach dem anderen, bis sie blutig und wund war; erst dann ließen sie von ihr ab. Später wurde sie auf Befehl von Doña Teresa ergriffen und ausgepeitscht – die Narben sind noch schwach auf ihrem Rücken und den Hinterbacken zu sehen und werden wohl niemals ganz verbleichen –, und danach wurde sie einem von Doña Teresas Dienern in die Sklaverei gegeben.
»Aber dies ist abscheulich!« rief ich. »Du hast nicht verdient, daß man dir irgend etwas davon antat!«
»Das war noch nicht das Schlimmste von allem«, sagte sie sehr ruhig.
Denn danach wurde sie schlimm benutzt von allen, denen sie begegnete, wie sie erklärte: Denn die Männer der Stadt hielten es für eine Möglichkeit, Doña Teresa ihre Ehrerbietung zu erweisen, indem sie das ehemalige Liebchen des Engländers mißbrauchten, und Matamba wurde öfter vergewaltigt und verprügelt, als sie sich erinnern konnte.
All dies erzählte sie mir mit leiser, weicher Stimme, mit keinem Feuer darin, als berichtete sie irgendwelche Ereignisse, die vor langer Zeit einer anderen Person im Reich der Königin Kleopatra von Ägypten zugestoßen seien. Und doch brachten ihre Geschichten mein Blut in heiße Wallungen und ließen mein Herz voller Zorn pochen, und während sie sprach, wanderte ich wie ein gefangenes Tier im Zimmer auf und ab und wünschte mir hundert Hände, damit ich alle diese Übeltäter gleichzeitig bestrafen konnte – als hätte ich, der ich keine Privilegien mehr in diesem Land besaß, etwas ausrichten können.
»Mein Herr, der Diener, wurde meiner überdrüssig und verkaufte mich einem Fischer«, sagte sie. »Und dieser war so grob und
Weitere Kostenlose Bücher