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Herr der Finsternis

Herr der Finsternis

Titel: Herr der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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Verbannung an diesem Akt gefunden hatte, und im wildesten Augenblick ihres Entzückens brachte sie mich zu dem meinen. Und nach unserer Vereinigung weinten und lachten wir gemeinsam, doch hauptsächlich lachten wir.
    So brachte ich Matamba wieder zu sich selbst zurück und zu mir. Es bereitete mir große Freude, sie wieder aufblühen zu sehen, obwohl sie nie wieder ihre ursprüngliche Schönheit zurückerlangen würde. Man kann keine neue Straffheit in eingefallene Brüste pumpen, und es gibt keine Wundersalben für Narben und Furchen in der Haut. Ich glaube, auch wenn sie in diesen sechs dunklen Jahren nicht so gelitten hätte, wäre es ihr vielleicht sogar ähnlich ergangen, denn die Mädchenjahre gehen bei diesen Afrikanerinnen schnell und gnadenlos vorbei: Mit vierzehn sehen sie alle aus wie eine schwarze Venus, und mit dreißig oder fünfunddreißig sind sie nur noch verwelkte alte Schachteln, und man scheint nichts daran ändern zu können. Ich habe mich oft nach dem geschmeidigen Mädchen mit den hellen Augen gesehnt, das ich in São Tomé aus der Sklaverei freigekauft hatte, doch ich wußte, daß diese Hoffnung so müßig war wie diejenige, mein eigenes jugendliches, noch nicht eingekerbtes Gesicht und die Spannkraft meiner Jugend zurückzubekommen. Es ist töricht, eine Umkehr der Zeit zu erbitten.
    Etwa zu dieser Zeit erfuhr ich, welche Strafe mir für meine Flucht von Masanganu und für andere, sowohl wirkliche wie auch angebliche Verbrechen zugedacht war. Der Gouverneur beabsichtigte nun, vierhundert Männer, die wegen Schwerverbrechen aus Portugal verbannt worden waren, ins Land Lamba zu schicken, um eine Rebellion zu unterwerfen, und von dort aus in einen jeden anderen Bezirk, der befriedet werden mußte. Sobald diese Verbrecher aus Lissabon eingetroffen waren, würde ich mich zu ihnen gesellen müssen und auf ewig in diese Grenzkriege entlassen werden, um endlos hierhin und dorthin zu marschieren und die Grenze Angolas gegen Einfälle der Jaqqas und Aufstände der Einheimischen zu sichern.
    Ich suchte Don João auf, um gegen dieses Urteil Berufung einzulegen, doch er wollte mich nicht empfangen, wohl aus Schuld und vor Scham, mich auf so grausame Art und Weise zu benutzen. So schickte ich mich an, mein Leben als Soldat aufzunehmen. Es war zumindest besser, als gehängt zu werden, und wohl auch ein besseres Schicksal, als weiterhin in Masanganu Dienst zu tun, wo ich vielleicht vor Langeweile starb, wenn mich nicht eine der Pestilenzen dahinraffte.
    Doch bis zu meinem Aufbruch aus der Stadt vergingen noch viele Wochen. Diese Zeit war ich größtenteils mir selbst überlassen, und ich verbrachte meine Stunden mit Matamba oder indem ich allein am Ufer des geheimnisvollen Ozeans entlangwanderte und sehnsüchtig zum unsichtbaren Europa hinüberblickte und nach England.
    England! Würde ich jemals England wiedersehen? Hatte es solch einen Ort wie England jemals gegeben, oder existierte er nur in meinem Traum, und ich war in Wirklichkeit in Afrika geboren und aufgewachsen?
    »Sprich Englisch zu mir, Andres«, sagte Matamba.
    »Aye, das werde ich. Wenn ich mich noch an die Worte erinnern kann, Mädchen!«
    Und ich sprach zu ihr, doch die Worte schlängelten sich quälend langsam über meine Zunge, so sehr hatte ich mich an die gedehnte portugiesische Sprechweise gewöhnt. Doch ich fuhr fort damit und kämpfte heftig darum, das mir angeborene Englischtum zurückzuerlangen, das mir immer so kostbar gewesen war. Ich fragte mich, ob jemand erkennen würde, daß ich von englischem Blut war, wenn mich Engel heute nach Essex bringen würden oder ob man mich für eine neue, gelbhaarige Sarazenenart halten würde, oder für irgendeinen Dämon aus der Hölle. Denn meine Jahre unter dieser tropischen Sonne und unter solch harten Diensten hatten mich gewiß sehr verändert, innerlich und äußerlich. Doch ich schickte mich an, mich an mein verlorenes, ehemaliges Leben zu erinnern.
    »Das sind die Könige von England«, sagte ich zu Matamba. »Zuerst war da Wilhelm, der aus der Normandie kam, um über die alten Sachsen zu herrschen. Und dann war da sein Sohn Wilhelm, der im Wald erschlagen wurde, und dann sein anderer Sohn Heinrich, und dann ergriff Stephan von Plantagenet den Thron und dann ein anderer Heinrich und nach ihm Richard Löwenherz und dann Johann…« Und so fuhr ich fort, nannte ihr alle Könige, die Eduards und die Heinrichs und die Richards, bis hin zur ruhmreichen Regierungszeit meiner Elisabeth. Und ich

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