Herr der Finsternis
begreifen kann, warum einer dieser Portugiesen sich daran stören sollte, daß Barbosa dem spanischen König nicht treu ergeben war.
Wochen später kam der Tag, da Afrika den Horizont verdunkelte. Und als unser Schiff auf spiegelglatter See in den Hafen von São Paulo de Luanda im Land Angola einlief, kam der Bootsmann wieder mit unseren Ketten und deutete mit einem Kopfnicken an, daß wir sie anlegen müßten.
Dieses São Paulo de Luanda liegt an einer großen Bucht, die die Ziegenbucht genannt wird und für die Schiffahrt einen brauchbaren Hafen abgibt. Verschlossen wird dieser Hafen von einer gewissen Insel namens Luanda, was in der Sprache dieses Landes »kahl« oder »rasiert« bedeutet, weil es eine sehr niedrige Insel ohne jeden Hügel ist. Fürwahr erhebt sie sich kaum über das Meer. Diese Insel setzt sich aus dem Sand und Schlamm der See und einer Flußmündung zusammen, die ein wenig südlich von der Stadt liegt, die des Flusses Kwanza; deren beide Fluten stoßen aufeinander, und der Schlamm sinkt dort hinab und ist im Lauf der Zeit zu einer Insel geworden. Sie ist vielleicht zwanzig Meilen lang und höchstens eine Meile breit; an manchen Stellen mißt sie von der einen zur anderen Seite jedoch nur eine Bogenschußweite.
Als wir diese Insel passierten, sagte Barbosa zu Tomer und mir: »Auf diesem Eiland hat der schwarze König des Kongo seine Geldmine, aus der er jedes Jahr einen großen Wohlstand zieht.«
»Gold, meint Ihr?« sagte Tomer.
Dieser Barbosa lachte. »Nay, guter Freund. Muscheln der See, die schätzt dieses einfache Volk am meisten!«
Er lachte, wie um es zu verspotten, ein mächtiges, gekünsteltes hartäugiges Lachen der Verachtung und erzählte uns, wie die Frauen an den Strand gehen, bis zu zwei Faden Tiefe und noch tiefer Sand in ihre Körbe schaufeln und danach die kleinen glatten und hellen Muscheln herauswaschen. Sie sind das Geld dieses Landes. »Gold und Silber und andere Metalle sind hier kein Geld«, erklärte Barbosa. »Fürwahr, mit diesen Muscheln kann man sogar Gold und Silber und alles andere kaufen! Aber das sind nur dumme Wilde, versteht ihr?«
Wir lachten mit ihm, Tomer und ich, denn wir hielten es für komisch und überaus seltsam, daß jemand bunte Muscheln höher schätzen konnte als Gold.
Doch zu dieser Zeit war ich noch fremd in den entlegenen Winkeln der Welt und betrachtete alles mit den verkniffenen Augen der Unwissenheit und des bornierten Mitleids. Die Zeit hat mir einen Schatten mehr Weisheit gegeben, und ich glaube nun, daß es nicht einen einzigen richtigen Weg für alles gibt, sondern daß jeder Weg auf seine eigene Art richtig ist, und warum also sollte dieses Volk nicht schöne Muscheln lieben wie das unsere edle gelbe oder weiße Metalle? Beides sind Güter, die man nicht leicht findet, die mit Werkzeugen aus der Erde geholt werden müssen, und beide besitzen eine gewisse Schönheit und sind zu nicht viel nutze denn als Handelsgut. Und doch hätte ich zu dieser Zeit mit Barbosa nicht über solche Dinge streiten können. Noch teile ich, nebenbei, heutzutage den Glauben, daß die Leute dieses Landes bloß dumme Wilde sind, doch all diese Weisheit war teuer zu erwerben.
Angola funkelte in dem hellen sengenden Tageslicht wie ein Land der Träume, von denen allerdings keine angenehm waren.
Tomer hatte mir eine grobe Landkarte gezeichnet. Angola liegt an der südwestlichen Küste Afrikas, etwa auf halber Höhe zwischen der großen Ausbuchtung von Guinea im Norden und dem Kap Bona Sperenza im Süden. Über Angola schließt sich an der Küste das Königreich Kongo an, das es sich einverleibt hat, wie Spanien sich Portugal einverleibt hat, und darüber liegt ein weiteres Königreich namens Loango, und landeinwärts von diesen dreien finden sich in dieser Gegend etliche weitere kleinere Königreiche.
Seltsame Namen. Ein grollender Mund voller Laute. Mpemba, Mbamba, Mbata, Nsundi, Mpangu, Soyo. Die Provinz der Ambundu. Die Stammesgebiete der Wembo, Wando, Nkusu, Matari. Das Gebiet der Wilden, der Menschenfresser, der Jaqqa, Calicansamba, Cashil, Cashindcabar. Teufelsnamen. Namen voller harter Musik, voller Trommeln und schriller, kreischender Schreie.
Einige dieser Namen nannte Tomer mir, als wir auf die Karte schauten, die er gekritzelt hatte. Einige davon hörte ich später, wurden mir von verängstigten Männern im Urwald zugeflüstert. Ich trage jetzt Narben, die mich an diese Namen erinnern. Tropfen meines Blutes liegen auf dem dunklen, feuchten
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