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Herr der Finsternis

Herr der Finsternis

Titel: Herr der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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der Ereignisse, in der Kapitän Pinto Dourado, der eine Falle fürchtete, in dem Augenblick, da das Langboot zurückkehrte, sein Schiff und die Mannschaft aus diesen Gewässern führte und mich und meine beiden Gefährten hier zurückließ. Ich war schon daran gewöhnt, im Stich gelassen zu werden, und gegenüber solchen Möglichkeiten immer mißtrauisch. Und ich bezweifelte sehr, daß Pinto Dourado seinen eigenen kostbaren Leib in die Höhle der Menschenfresser bewegen würde. Und ich schob dieses Bild noch ein wenig hinaus und sah mich als das Hauptereignis auf dem Kannibalenfest, bei dem all diese Jaqqas johlten und drängelten, um einen Bissen vom Fleisch des goldenhaarigen Gottes zu bekommen.
    Doch meine Vorahnungen erwiesen sich als reine Hirngespinste. Pinto Dourado kam in der Tat mit seiner gesamten Mannschaft und Mengen von Perlenketten und üblem Tand zum Schachern eilends an Land: Wenn er sich auch vor den Jaqqas fürchten mochte, seine Liebe für Profite überstrahlte diese Furcht.
    Wir gingen in das Jaqqalager, das sehr ordentlich und mit Holzpalisaden befestigt war; und wir bekamen für die Nacht Häuser zugewiesen und für unser leibliches Wohl große Mengen Palmwein und Kühe, Ziegen und Mehl.
    Nach Anbruch der Dunkelheit wurde ein gewaltiges Fest abgehalten, und ich erwartete, Menschenfleisch auf den Festtischen zu sehen. Aber nein: Die Jaqqas speisten an diesem Abend genau wie wir: Sie labten sich an gebratener Ziege, Rindfleisch und beträchtlichen Mengen Palmwein. Zu dem Fest erklang viel laute, harte Musik von sehr barbarischer Art, die mit Trommeln und Flöten und Mpungas und einem Ding namens Tavale gemacht wurde, was ein Brett auf zwei Holzstäben ist, auf das man mit den Fingern schlägt. Und es tanzten Frauen, die nichts trugen bis auf Massen von Perlenschnüren um die Hälse, Arme und Beine. Sie sprangen wie tänzelnde Hexen über das Feuer, grinsten breit, um ihre zahnlückigen Münder zu zeigen, und lachten und schrien. Und in der Mitte von alledem saß der König-Dämon Calandola auf seinem Thron; sein eingeölter Körper funkelte im Licht des Feuers, seine gewaltigen Beine waren breit gespreizt und sein Kopf zurückgeworfen, als er sein lautes Gejohle des Vergnügens ausstieß. Und die ganze Zeit über waren drei oder vier Frauen um ihn herum und stellten üble Dinge mit ihm an, rieben sich an ihm, leckten mit der Zunge über seine Haut und nahmen seinen riesigen Prügel in den weit geöffneten Mund, während er müßig ihr wollenes Haar streichelte.
    Ich empfand die mächtige Anwesenheit dieses Mannes als einen wahrhaftigen und schweren Druck auf mir. Wellen der Macht und der Gewalt rollten von ihm fort wie das Dröhnen der Trommeln, das Krachen der Brandung. Es gab keine Flucht, kein Verbergen vor ihm.
    Ich sah ihn als ein riesiges Maul, das rittlings auf dem Busen der Welt saß und daran sog, sog, sog.
    Wir schliefen in dieser Nacht nur wenig, denn die Festlichkeiten dauerten fast bis zur Dämmerung an. Und als das erste frühe Licht kam und überall schlafende Jaqqas lagen, alle viere weit ausgestreckt, und auch schlafende Portugiesen, gab es eine Konferenz zwischen Imbe Calandola und seinem Dolmetscher-Jaqqa und Kapitän Pinto Dourado und mir, bei der ich herausfand, warum der König der Jaqqas uns so bereitwillig hatte an Land kommen lassen.
    Durch den Dolmetscher, dessen Name Kinguri lautete, erfuhren wir, daß Calandola entschlossen war, das Reich Benguela mit Krieg zu überziehen, das auf der nördlichen Seite des Flusses Kuvu lag. Das hieß, er beabsichtigte nicht, die kleine portugiesische Siedlung dort zu bedrohen, sondern würde sich damit begnügen, das Benguelavolk zu unterwerfen, das von einem Fürsten namens Hombiangymbe (so hörte sich der Name jedenfalls in meinen Ohren an) beherrscht wurde. Dazu wünschte er unsere Hilfe, indem wir seine Männer mit unserem Boot auf die andere Seite des Flusses brachten.
    »Wenn ihr uns unterstützt«, sagte Kinguri, »wird der Imbe-Jaqqa dulden, daß ihr alle Gefangenen als Sklaven nehmt, denn wir wissen, daß ihr begierig seid, viele Sklaven zu verkaufen.«
    Dies erstaunte mich: daß wir uns mit Menschenfressern verbünden sollten, um einen Eingeborenenstamm zu unterwerfen, der Portugal bereits Tribut entrichtete. Ich dachte nicht, daß wir dies tun würden, und überlegte mir im Geiste bereits die Formulierung einer Weigerung, als Pinto Dourado mit vor Geldgier strahlenden Augen zu mir sagte: »Aye, dabei können wir ein Vermögen

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