Herr der Finsternis
sagen, denn sie waren sehr still, bis auf einige Verwundete, die ein wenig stöhnten, und ihre Augen verrieten mir nicht, ob sie tief bekümmert oder aber so benommen und taub waren, daß sie den Sinn dessen, was dort vor sich ging, nicht erfaßten. Wenn dies Essex gewesen wäre und zweihundert englische Männer und Frauen hätten sich aufstellen müssen, während ihre Brüder und Söhne gebraten wurden, so hätten wir wohl den einen oder anderen Aufschrei von ihnen gehört; doch dieses Volk hier ist anders, und seine Denkweise ist mir sehr fremd. Und doch bin ich mir ziemlich sicher, daß sie wegen dieser schrecklichen Sache trauerten, wenn auch vielleicht tief im Inneren.
Als das Fleisch fertig war, ereignete sich eine weitere große Seltsamkeit. Denn einer von Calandolas Hexenmeistern brachte ihm einen wundervoll gearbeiteten Weidenkorb von beträchtlicher Größe, von dem ich mich erinnerte, daß wir ihn eigens von dem Jaqqalager auf der anderen Seite hergebracht hatten. Und aus diesem Korb nahm der Zauberer gewisse Gewänder und Utensilien von unzweifelhaft christlicher Herkunft und reichte sie eins nach dem anderen Imbe Calandola.
Da war die schwarze Soutane eines Priesters und der Umhang, den man Vespermantel nennt, und eine reich geschmückte Kasel { * } , die die Priester tragen, wenn sie die Messe lesen. All diese verschiedenen Kleidungsstücke waren aufgetrennt und mit Stricken wieder verbunden worden, damit sie über Calandolas gewaltigen Körper paßten; denn der portugiesische Priester, dem sie einmal gehört hatten, mußte ein viel kleinerer Mann gewesen sein. Nachdem Calandola diese Gewänder angelegt hatte, nahm er ein Kruzifix, das er am kurzen Ende hielt, und hob mit der anderen Hand einen silbernen Abendmahlskelch, und mit einem mächtigen Gelächter schlug er das Ende des Kruzifixes gegen die Seite des Kelches, als wolle er eine Glocke betätigen, um seine Männer zum Mahl zu bitten. Und bei dem Geräusch dieser Glocke erhob sich lautes Geschrei unter allen Jaqqas und ein Freudenjubel, denn sie wußten, daß nun Essenszeit war.
Es bekümmerte mich wenig, welche Blasphemie der Imbe-Jaqqa mit all diesen portugiesischen Gewändern und Utensilien vollzog. Doch ich befürchtete, es würde meine portugiesischen Gefährten beträchtlich stören. In der Tat waren sie zurückgetreten, und ich sah, wie sie die Lippen zusammenpreßten und ihre Nüstern sich aufblähten. Doch sie riefen kaum ein Wort des Protestes. Darin taten sie es ihrem schurkischen Befehlshaber gleich, Pinto Dourado, der mit vor der Brust verschränkten Armen dastand und so süß lächelte, als würde er einen Chor von Weihnachtssängern und nicht das Geschrei kirchenschänderischer Kannibalen vernehmen.
Kümmerte Pinto Dourado die Beleidigung seines Glaubens nicht? Oder dachte er klugerweise, ein Protest würde lediglich dazu fuhren, daß sich noch etwas portugiesisches Fleisch zu dem Festessen hinzufügen würde? Vielleicht von beidem etwas; doch ich glaube auch, daß er sorgfältig auf seine geschäftlichen Vereinbarungen mit den Jaqqas achtete und es nicht wagte, die Mißbilligung seiner Gastgeber auf sich zu ziehen, bis der Handel abgeschlossen war.
Wie dem auch gewesen sein mochte, das Fest begann.
Da war Calandola, der den Kelch und das Kruzifix schwenkte und seine mächtigen Schultern gegen das ihn einengende Gewand irgendeines ermordeten Priesters drückte, und da waren seine langbeinigen nackten Krieger, die die Spieße drehten, und da waren die Verwandten der Opfer, die schweigend danebenstanden, und dann begannen die Schlächter-Jaqqas mit dem Tranchieren und brachten dem König ein großes, saftiges Lendenstück; und dieser warf den Kopf zurück, brüllte sein tosendes Gelächter und grub die Zähne ins Fleisch.
Während er aß, deutete er auf seine Unterführer und Hauptmänner, und nacheinander bekamen auch sie ihren Anteil, Kinguri Schlacksbein zuerst, und dann ein jeder in der Folge des Ranges. Fast alle Jaqqas sind groß und schlankgliedrig, wenngleich auch einige wenige klein sind, und diese kleinen weisen sehr muskulöse Arme und Beine auf. Da sie sich durch Adoption vermehren, Kinder aus anderen Stämmen stehlen und sie als Jaqqas aufziehen, gibt es nur wenig Blutsverwandtschaft unter diesen Menschenfressern; und dennoch ähneln sie einander, als führte ihr blutrünstiges Leben dazu, daß sie einer wie der andere aussehen. Oder vielleicht liegt es daran, daß sie vorzugsweise Gefangene mit einem gewissen
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