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Herr der Finsternis

Herr der Finsternis

Titel: Herr der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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kommt ihr? Seid ihr Geister?«
    »Wir sind Menschen«, sagte ich, »aus einem Land jenseits des Meeres.«
    Der Jaqqa erstattete seinen Gefährten in ihrer eigenen Sprache ausführlichen Bericht, und mehrere von ihnen wandten sich ab und liefen als Boten zum Hauptlager am Strand. Zu mir sagte er: »Seid ihr Portugiesen?«
    »Diese meine Gefährten sind Portugiesen. Ich bin Engländer!«
    »Und was ist das?«
    Als Antwort schwang ich den Kopf heftig von einer Seite zur anderen, so daß mein langes, goldenes Haar umherflog und überaus hell in der Sonne funkelte, und der Jaqqa riß daraufhin die Augen auf und schaute überaus erstaunt drein.
    Mit gehobenen Armen und ausgestreckten Händen rief ich: »Ein Engländer ist ein Sohn Albions { * } , und ein Herr unter den Menschen. Und wir dienen Ihrer überaus Protestantischen Majestät Elisabeth, die die oberste unter den Fürsten der Erdkugel ist.«
    Diese schöne Rede beeindruckte den Jaqqa ein wenig, wie es auch beabsichtigt war. Coelho, der kein Wort verstand, beugte sich zu mir und sagte: »Was hat all dieses Geschwätz zu bedeuten?«
    »Ich glaube nicht, daß wir in Gefahr sind«, sagte ich. »Denn dies sind Jaqqas, die noch nie einen weißen Mann gesehen haben und die Portugiesen nur von Gerüchten und vom Hörensagen kennen, und sie halten mich wegen der Farbe meines Haars vielleicht für einen Gott. Ich glaube, sie werden es nicht wagen, uns ein Leid zuzufügen.«
    »Laßt uns beten, daß du recht hast«, sagte Coelho.
    Der langbeinige Jaqqa sprach erneut. Ich konnte seinen Worten nicht folgen, doch sie enthielten eine große, fließende Ankündigung. In die Kannibalen geriet Bewegung; sie traten zurück und von der Mitte fort, und ich sah, daß eine neue Gestalt unter uns eingetroffen war, geführt von den Boten, die ins Lager gelaufen waren. Er schritt in die Mitte unserer Gruppe und betrachtete uns mit größter Aufmerksamkeit.
    Ich glaube, dieser Mann war der schrecklichste Anblick, den ich jemals gesehen hatte, so fürchterlich wie das größte Coccodrillo oder das wildeste Rudel heulender Wölfe. Er war von gewaltiger Größe, ein wahrer Riese, und so schwarz wie die tiefste Nacht. Doch trotz all dieser Schwärze sah sein Gesicht nicht wie das eines reinrassigen Negers aus: Es verfügte über eine gerade Nase und schmale harte Lippen, die dem Antlitz einen noch grausameren Anflug verliehen; irgendwie wirkte es wie das eines Mohren, wenngleich es viel dunkler war. Sein Haar war lockig, sehr lang und reich bestickt mit Schnüren und Muscheln, die man Mbambas nennt, was Wellhorn- oder Schneckenhäuser sind. Um seinen Nacken hing ein Halsband mit anderen, spiral- oder türmchenförmigen Muscheln, die an diesen Gestaden zum umgerechneten Preis von zwanzig Shilling die Muschel verkauft werden, wie ich wußte; und um die Hüften trug er Schnüre mit Verzierungen, die man aus den Schalen von Straußeneiern geschnitten hatte. Seine Lenden waren in ein funkelnd helles Tuch aus scharlachrotem Palmstoff gehüllt, der so fein wie Seide war. Der Rest seines Körpers war nackt, doch mit roten und weißen Verzierungen der überaus erschreckendsten Art bemalt, und wo sie nicht bemalt war, war seine Haut mit Schnitten vernarbt, die sich zu üppigen Verzierungen von erstaunlicher Höhe hoben, die fast wie ein Relief anmuteten, als wäre die Haut überall von einem verästelten Damast bedeckt, der sich zu den schönsten Mustern der mannigfachsten Formen hob. Und der Mann glänzte geradezu, so daß ich beinahe glaubte, ich könne mein Bild auf seiner Haut sehen, wie in einem Spiegel. In der Nase trug er ein zwei Zoll langes Kupferstück und in den Ohren ähnliche. Insgesamt stellte er nichts anderes dar als das höchste Abbild der Barbarei.
    Und seine Augen! Bei Gottes Tod, diese Augen! Es waren Tümpel der Nacht, umgeben von einem Feld aus betörendem Weiß, und sie zogen mich an und hielten mich wie die mächtigsten Magneten in ihrem Bann. Als ich diese Augen sah, zitterten meine Knie.
    Ich wurde erneut an die längst vergangene Zeit erinnert, als ich durch Abraham Cockes Verrat auf der Insel zurückgelassen worden und ein gewaltiger Allagardo oder Coccodrillo aus einem Fluß getreten war und mich angelächelt und die Zunge herausgesteckt hatte; ich hatte wie gebannt dagestanden und war dann wie einer, der verzaubert worden war, nicht vor dem Geschöpf geflohen, sondern darauf zugegangen. Dieser Jaqqakönig verzauberte mich auf die gleiche Art.
    Der große Kannibale, der

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