Herr der Finsternis
das Lebenslicht ausblasen würde.
Dann rief mir Calandola, den mein Zögern nun zu höchstem Zorn verärgerte, etwas in der Jaqqa-Sprache zu, und seine Stimme war derart voller Schnauben und Gebrüll, daß ich die Worte nicht verstehen konnte. Er stampfte mit dem Fuß auf, spuckte aus und ballte die Fäuste, und sein schwarzes Gesicht wurde vor Wut noch schwärzer. In diesem Augenblick kam er mir vor wie ein Wahnsinniger, der zu allem fähig war.
Während er derart tobte, schickte ich mich an, die Muskete neu zu laden, was ein schmerzlich langsamer Vorgang ist. Sollte er in seinem Zorn irgendeinen Angriff auf mich anordnen und mich zum Kochtopf verdammen – oder mir Schlimmeres zugedenken –, so wollte ich zumindest meine Muskete auf ihn richten und ihm das Leben nehmen, bevor er meins haben konnte.
Doch diese Absicht verwarf ich noch in dem Augenblick, da sie sich bei mir einstellte, denn sie war die größtmögliche Torheit: für diese Kannibalen war der Imbe-Jaqqa beinahe ein Gott, und würde ich ihm auch nur leichten Schaden zufügen, so würde der Tod, den seine Gefolgschaft mir geben würde, wohl der übelste sein, den es auf dieser Welt gab, ein langsames Kochen vielleicht bei lebendigem Leib.
So ließ ich diesen Plan fallen und suchte nach einer anderen Möglichkeit, ihn zu besänftigen, doch es gab keine, bis auf die, seinem Wunsch nachzukommen. Sein Zorn wurde noch größer, und ich fürchtete mich davor, ihm zu trotzen, und so fand ich zu meiner Schande nicht mehr den Willen, ihm diese schreckliche Sache abzuschlagen.
»Es wird uns allen übel ergehen, wenn du ihm nicht gehorchst«, sagte Kinguri.
»Schieße!« heulte der Imbe-Jaqqa.
»Der Herr sei Seinem unglücklichen Diener gnädig und vergebe ihm«, flüsterte ich, legte den Finger an den Abzug und schoß.
Meine Arme zitterten, und meine Augen waren vor Schamestränen halbblind. Und doch fand die Musketenkugel ihr Ziel, traf die Frau zwischen den Brüsten, warf sie fünf oder zehn Schritt zurück und ließ sie mit weit ausgebreiteten Armen zu Boden stürzen.
Einige Jaqqas liefen zu ihr, tanzten um sie herum, nahmen die blutige Leiche auf und hielten sie wie eine Trophäe hoch. Und sie stimmten ein wildes Freudengeheul an.
So tötete ich zum ersten und einzigen Mal in meinem Leben einen völlig unschuldigen Menschen, der mir keinen Schaden angetan und auch keinen angedroht und mir auch keine Hindernisse in den Weg gelegt hatte. Und dafür werde ich wohl lange Buße tun müssen, bevor ich das Paradies sehen darf. Doch in dem Augenblick, das ich diese Tat beging, hatte ich wohl keine andere Wahl, als dem dunklen Ansinnen des Imbe-Jaqqa nachzukommen.
Er hatte sich nun wieder beruhigt und lächelte mir ob meiner Treffsicherheit zu und applaudierte. Dieser wahnwitzige Zorn, der noch einen Augenblick zuvor Besitz von ihm ergriffen hatte, war völlig von ihm abgefallen, als hätte es ihn niemals gegeben. Er kam zu mir, legte seinen großen Arm um mich, zog mich freudig an sich, lobte mich herzlich mit heiseren Jaqqa-Worten, die ich kaum verstand, liebkoste den heißen Lauf meiner Muskete und rief nach seinem Mundschenk, der mir einen Schluck des königlichen Weins brachte. Und der Imbe-Jaqqa hielt den Becher hoch, gab eine lange Rede zum besten und reichte mir dann den Becher.
Kinguri und die anderen Jaqqafürsten hatten einen engen Kreis um mich gebildet, und ich sah, daß ihre Augen wie leuchtende Sterne funkelten. Einige aber waren weder erheitert noch freundlich.
»Was hat er gesagt?« fragte ich Kinguri.
»Ah, Andubatil, er hat dich zum Herrn über all seine Krieger ernannt.«
»Irrst du dich auch nicht?«
»Und dich zu seinem Stellvertreter auf dem Schlachtfeld gemacht und verkündet, daß man dir alle Ehren zuteil kommen lassen muß.«
»Aber ich bin weiß! Ich bin ein Christ!«
»Du bist Andubatil Jaqqa. Er nennt dich auch Kimana Kyeer, das heißt Herr des Donners.«
Und als er diesen neuen Namen aussprach, riefen alle anderen Jaqqas um uns herum: »Kimana Kyeer! Kimana Kyeer!« Doch einige freuten sich, und andere runzelten die Stirn dabei, wie es ihnen durchaus auch zukam, war dieser weiße Fremde mit dem Blinzeln eines Auges doch im Rang hoch über sie gestellt worden, nur weil er einen Donnerstock mit sich führte.
Calandola machte auf seine ungeduldige Art einige Handbewegungen und gab die Laute von sich, die, wie ich nun wußte, »Trinkt! Trinkt!« bedeuteten.
Also trank ich. Und sie schlugen mir auf den Rücken und faßten
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