Herr der Finsternis
Griff und den Lauf, bewunderte die kunstvolle Arbeit, roch an beiden Enden und hob sie hoch, um ihr Gewicht einschätzen zu können. Ich dachte schon, er würde sie dann an die Schulter legen und das Abfeuern nachahmen, doch er schien nicht zu wissen, wie man sie hielt.
Dann sah er zu mir hinüber und sagte: »Zeig uns, wie es geht.«
Ich nahm das Gewehr, gab Pulver hinein, schob eine Kugel in den Lauf, nahm meine Lunte und suchte nach einem geeigneten Ziel. Eine Nachteule saß geduckt in einem dunkelblättrigen Baum hoch über dem Lager und krächzte ihren omenbehafteten Ruf, und ich richtete die Muskete darauf. Es ist kein geringes Werk, des Nachts eine Eule mit einer Muskete von ihrem Ast zu schießen, doch während meiner Zeit als Soldat bei den Portugiesen hatte ich einiges Geschick mit dieser Waffe erworben. Und so nahm ich Ziel und drückte ab, und die Jaqqas keuchten beim Anblick des Pulverblitzes in der Pfanne laut auf, und ich traf die Eule genau in die Brust, und sie stürzte flügelschlagend zu Boden.
Erneut hob sich der Ruf: »Andubatil! Andubatil Jaqqa!«
Und die Jaqqas streckten die Hände aus, schlugen sich mit den offenen Handflächen gegen die Schläfen und durch schnitten die Luft mit den Ellbogen, was ihre Art und Weise war, Erstaunen zu zeigen.
Diese Art des Tötens beeindruckte die Seele des Imbe Calandola tief. Er stand eine lange Weile nachsinnend da, schaute zu mir und dann zu der gefallenen Eule hinüber und zu der Muskete und wieder zu mir. Denn er hatte unsere Waffen noch nie in Aktion gesehen und bestimmt nicht die Muskete: denn die Portugiesen sind hauptsächlich mit älteren Waffen ausgerüstet, wie der Arkebuse und der Hakenbüchse, und Musketen sind bei ihnen ziemlich ungebräuchlich. Und den Tod aus solch großer Entfernung herbeizuführen und mit einem so lauten Knall und einem so hellen Blitz – ja, das erregte das Interesse des Imbe-Jaqqa und ließ ihn nicht mehr los!
Dann grunzte Calandola leise und machte eine Handbewegung, und aus der Menge der Frauen kam eins seiner Weiber, eine Frau von vielleicht dreißig Jahren, die ein Labyrinth von Stammesnarben auf dem Körper trug, nur noch wenige Zähne im Mund hatte und deren Brüste lang hinabfielen und schlaff waren. Der Imbe-Jaqqa befahl ihr, sich etwa hundert Schritt von mir entfernt aufzustellen, oder etwas weniger, und dort blieb sie unbeweglich und anscheinend so teilnahmslos wie ein Baum stehen.
»Mach es mit ihr«, sagte Imbe Calandola.
Dieser Befehl traf mich wie ein Knie in den Magen. Kaltblütig eine unschuldige Frau abzuschießen? Gottes Augen, das war schlimmer als Kannibalismus!
»Nay«, sagte ich, »das kann ich nicht.«
»Du kannst es nicht?« wiederholte Calandola und drehte die Worte im Mund, als wären sie eine seltene Delikatesse. »Du kannst es nicht? Wer sagt dies zum Imbe-Jaqqa?«
»Der Imbe-Jaqqa möchte gern sehen«, murmelte Kinguri, der neben mir stand, »wie deine Waffe bei solch einem Ziel funktioniert.«
»Ich habe verstanden«, sagte ich, »doch es obliegt mir nicht, sie zu töten.«
»Sie verdankt ihr Leben nur der Gunst des Imbe-Jaqqas«, erwiderte Kinguri. »Und diese hat er ihr nun entzogen.«
»Ich bin müde, und die Waffe ist schwer, und ich habe heute abend so viel Wein getrunken, daß ich fürchte, ich könnte mein Ziel verfehlen.«
»Als du die Eule erschossen hast, hast du dein Ziel auch getroffen.«
»Da hat Gott meinen Blick geführt«, sagte ich, »doch Er wird dies nur einmal am Abend tun, und bevor ich noch einmal schieße, muß ich gewisse Gebete an ihn richten, die ziemlich langwierig sind.«
Indem ich von Gott und langen Gebeten sprach, hoffte ich, sie abzulenken, bis sie dieses böse Unterfangen vergaßen, wie sie meine Beschneidung vergessen hatten. Doch dazu kam es nicht. Kinguri spuckte aus und sagte etwas zu Calandola; und der Imbe-Jaqqa, der allmählich ungeduldig wurde, verschränkte die Arme vor der Brust und grunzte, und seine Augen blitzten, und ein scheußliches, wütendes Runzeln legte sich auf seine Stirn.
»Andubatil«, sagte Kinguri, »warum wartest du noch?«
»Dies ist nicht leicht für mich.«
»Der Imbe-Jaqqa möchte es gern sehen.«
»Ich bitte dich…«
Und allderweil stand die Frau unbewegt da und wartete auf den tödlichen Schuß. Ich kann nicht sagen, wieviel sie vom Sinn unseres Gesprächs mitbekam, doch ich habe auf dem Feld schon tumbe Tiere gesehen, die mit größerem Verständnis den Jäger betrachteten, der ihnen in einem Augenblick
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