Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Herr der Finsternis

Herr der Finsternis

Titel: Herr der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
Vom Netzwerk:
ihrer Kinder an sie.
    Ihr anderer Gott ist ein dunkler Mokisso oder Geist, der die Kraft der Vernichtung ist, der Wirbelwind der Kriegsführung und des Tötens. Doch er ist auch der Gott der Schöpfung, der das Leben auf der Erde erschaffen hat.
    Diese Gemeinschaft von Vernichtung und Schöpfung wurde mir von dem Medizinmann Kakula-banga erklärt, der sich zu meinem geistigen Vater dieses Stammes ernannt hatte. »Im Anfang«, sagte er, »gab es nur die Mutter, und sie war leer und blank wie ein ungemeißeltes Stück Stein, rein, leer und ganz. Doch obwohl sie perfekt war, kam sie sich nicht vollständig vor; und so rührte sie sich in ihrem Schlaf, drehte sich um und warf sich von der einen Seite auf die andere, bis sie einen gewaltigen Wind erzeugte, der Mokisso in sich hatte. Und dieser Wind tobte über das Antlitz der Erde und schnitt große Vertiefungen hinein, die Täler und die Flußbetten, und warf große Wälle auf, die Berge. Und immer wieder blies die Mutter den Mokisso -Wind um die Erde, immer heftiger und tiefer. Bis der Wind schließlich Samen in sie trug, sie fruchtbar machte und das erste Leben erzeugte. Und mit der Zeit kam der erste Mann aus ihrem Mutterschoß und die erste Frau und nacheinander dann die anderen Geschöpfe, und so wurde die Welt durch die Vereinigung des Wirbelwindes und der Mutter bevölkert. Und wenn die Zeit kommt, wird sie auf die gleiche Art und Weise vernichtet werden.«
    »Wann wird sich dieser Wind erheben?« fragte ich.
    Und Kakula-banga sagte: »Er hat sich bereits erhoben, o Andubatil Jaqqa Kimana Kyeer. Denn es liegt in den Händen des Imbe-Calandola, diesen Wind zu rufen, und er hat ihn gerufen!«
    Ich glaube wahrhaftig, daß dieser Gott des Sturms der Satan ist, wenngleich die Jaqqas unsere Vorstellung vom Teufel als Widersacher Gottes auch nicht verstehen, sondern ihn als einen Geist anbeten, der selbst ein Gott und der höchsten Bewunderung würdig ist. Doch wie immer sind in der Gedankenwelt der Jaqqas die Schöpfung und die Vernichtung miteinander verwoben, und das Töten ist ein Mittel, Leben zu schenken, und ich nehme an, bei ihnen kann auch ein Gott ein Teufel sein und die Saat der großen Mutter weitergeben, zur gleichen Zeit, da er ihrer Vollkommenheit großes Unrecht antut.
    Wann immer der große Jaqqa Calandola irgendeine mächtige Unternehmung gegen die Bevölkerung eines Landes erwägt, bringt er am Morgen, bevor die Sonne aufgeht, seinem Sturmgott, dem Teufel, ein Opfer. Er setzt sich dann auf einen Stuhl, flankiert von zwei Medizinmännern, dann schart er vierzig oder fünfzig Frauen um sich, die alle Zevvera-Schwänze in den Händen halten, die sie unter lautem Singen schwenken. Hinter ihnen befinden sich zahlreiche Männer, die laut auf ihren Trommeln und Mpungas und anderen Instrumenten spielen. In der Mitte befindet sich ein großes Feuer und auf dem Feuer ein tönerner Topf mit weißen Pulvern, mit denen die Medizinmänner ihm unter langen Zeremonien und Bannsprüchen und Gesängen die Stirn, Schläfen, die Brust, den Bauch und die Wangen bemalen. Dies dauert an, bis die Sonne untergeht. So vollziehen sie den ganzen Tag ihre Beschwörungen.
    Abends bringen die Medizinmänner dem Imbe-Jaqqa dann seine Cassengula, eine Waffe, die an ein großes Beil erinnert; sie besteht aus leuchtendem schwarzen Metall, und in ihren Griff ist ein schöner, funkelnder Kristall eingelassen. Diese legen sie ihm in die Hände und bitten ihn dabei, gegen seine Feinde stark zu sein: denn sein Mokisso ist bei ihm, und der Sieg wird ihm gehören. Und schließlich bringen sie ein Mann-Kind, das er daraufhin mit einem Schlag der Cassengula tötet, einer Waffe, die so schwer ist, daß die meisten Männer sie nicht einmal heben könnten. Dann werden normalerweise vier Männer vor ihn gebracht, Sklaven oder Gefangene: woraufhin er zwei davon augenblicklich auf die gleiche Art und Weise tötet, während die beiden anderen aus dem Jaqqa-Lager gebracht und dann von den Medizinmännern getötet werden.
    In den ersten Wochen meines Aufenthalts bei den Jaqqas haben die Medizinmänner mir in diesem Augenblick immer befohlen, fortzugehen, denn ich glaube, sie wollten nicht, daß ein Christ einer Zeremonie beiwohnt, bei der der Teufel erscheint. Danach fanden gewisse überaus heilige Riten statt. Und schließlich befahl Calandola, fünf Kühe im und fünf außerhalb des Lagers zu töten, und ebenso viele Ziegen und Hunde, und ihr Blut wurde ins Feuer gesprenkelt, und ihr Fleisch wurde bei

Weitere Kostenlose Bücher