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Herr der Finsternis

Herr der Finsternis

Titel: Herr der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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eine Weile vor Kalungu, während Calandola sich entscheiden wollte, ob er die reiche Stadt oder Kafuche Kambara heimsuchen wollte. Während dieser Zeit der Unentschlossenheit hielt er viele Zeremonien und große Feste zu Ehren des Satans ab und suchte dessen Rat.
    Dann wurden wir eines Nachts alle aus dem Schlaf gerissen. Ich schaute nach Norden und sah viele seltsame Feuer und Flammen in der Luft, die bis zum Mond selbst hochzusteigen schienen. Und dazu waren die überaus sphärischen Klänge von Pfeifen, Trompeten und Trommeln zu hören.
    Vor langer Zeit haben mir ältere Seefahrer von solch seltsamen Geräuschen berichtet, die vielleicht durch die starken und mannigfaltigen Bewegungen von heftigen Verdampfungen am Himmel erzeugt werden, wie Wind und Wärme sie herbeiführen. Die heftigen Verdampfungen, die sich in die gewaltige Kälte der mittleren Luftschichten heben, werden plötzlich mit großer Macht zurückgeworfen und machen einen Lärm, der dem nicht unähnlich ist, den ein Feuer in der Luft erzeugt, etwa dem Zischen einer brennenden Kerze. Doch für Calandola war es ein großes Omen. Er stand da, blickte über die Ebene hinaus und sagte zu mir: »Sieh, Andubatil, dort kommt Hitze von den Strahlen des Mondes! Das heißt, daß wir marschieren und Kalungu zerstören müssen.«
    Für mich fühlten sich die Strahlen des Mondes so kalt wie immer an. Doch ich wagte nicht, Calandola zu widersprechen.
    Er legte seine schwere Hand auf meine Schulter und deutete mit der anderen auf die schlafende Stadt, die dort vor uns lag. »Sieh, sieh, Andubatil, die Höfe, die gepflügte Erde! Dieses Volk hat unsere Mutter versklavt, und wir müssen sie befreien.«
    »Fürwahr versklavt?«
    »Ja. Überall im Land gibt es Menschen, die sich zu den Herren der Mutter machen wollen. Und sie geißeln ihre dunkle, warme Haut mit ihren Pflügen, und sie bedecken sie mit ihren Häusern und Straßen. Das ist nicht richtig. Diese Menschen verbreiten sich wie eine Insektenplage über das Land.«
    Ich war eher der Meinung, daß die Jaqqas die Plage waren. Doch dies behielt ich für mich.
    »Verstehst du mich?« fuhr Calandola fort. »Nur wenige verstehen es. Wir Jaqqas kennen die Wahrheit, die den anderen Menschen verborgen bleibt, nämlich, daß dieses Versklaven der Erde durch Ackerbau und Handel ein großes Übel ist. Es war der Menschheit nicht bestimmt, dies zu tun.« Er sprach überaus sanft und leise, eher wie ein nachdenklicher König denn wie ein Wahnsinniger. »Es ist unsere Aufgabe«, sagte er, »dieses Übel zu beenden. Und so ziehen wir von Land zu Land, und wir wüten und töten und verschlingen; und hinter uns bleibt alles viel einfacher, viel reiner, viel heiler zurück. Wir stellen die Erde wieder her, Andubatil. Wir machen sie so, wie sie in den ersten Tagen war: grün, rein, edel.« Und mit einem wilden Lachen sagte er: »Deine Portugiesen, sie bauen mit Steinen, nicht wahr? Nun, und wir werden sie ins Meer treiben und ihre Steinhäuser dem Dschungel überlassen, und die Kriech- und Schlingpflanzen werden die schweren Steinblöcke auseinanderreißen. Und dann, wenn das Mutterland völlig gesäubert ist, werden wir frohlocken. Verstehst du, Andubatil? So wenige verstehen es. Wir sind die Mächte der Säuberung. Wir nehmen in unsere Leiber jene auf, die die Feinde der Wahrheit sind, und wir absorbieren sie und machen ihre Stärke zu der unsrigen und legen ihre Schwäche ab. Und so erobern und überdauern wir. Und wir werden auf diese Art von Land zu Land ziehen, von einer Küste zur anderen, bis an den fernsten Rand des Himmels. Morgen wird es Kalungu sein, später dann Dongo und Mbanza Kongo und die anderen großen Städte, und mit der Zeit werden wir auch São Paulo de Luanda erreichen, und wenn diese Stadt verschwunden ist, wird alles wieder ein Ganzes sein. Danach werden wir sehen, was noch in ferneren Reichen zu tun bleibt. Begreifst du? Es hat den Anschein, als würden wir vernichten und zerstören, Andubatil: doch in Wirklichkeit machen wir die Dinge wie der zu einem Ganzen.«
    Und wir standen die gesamte Nacht lange Seite an Seite, schauten zur Wüste hinüber und beobachteten, wie die Hexenfeuer in der Luft tanzten. Und diese Hexerei drang in mein Hirn und entflammte mein Blut, denn die Worte des Imbe-Jaqqa erschienen mir kristallklar und vernünftig, und ich machte keinen Zwist mit ihnen. Ich sah die Welt über zogen von Häßlichkeit und Verrat und Korruption und die gute grüne Brust der Erde belastet durch die

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