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Herr der Finsternis

Herr der Finsternis

Titel: Herr der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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großen Tyrannen war kein Platz, die Macht zu teilen, obwohl ich wußte, daß er Kinguri liebte und in hohen Ehren hielt – während er gleichzeitig auf ihn eifersüchtig war und sehr sorgsam darauf achtete, daß Kinguri sich nicht auch nur einen Fetzen der Autorität und der Privilegien des Imbe-Jaqqa aneignete.
    Da ich mit der Zeit sowohl Calandola wie auch Kinguri ein enger Freund wurde, wenn »Freund« das richtige und angemessene Wort ist, bekam ich manchmal einen Eindruck von dem Widerstreit zwischen diesen beiden, und ihre brüderliche Rivalität beanspruchte stark meine Loyalität. Doch das Ausmaß dieses Zwistes blieb mir zuerst verborgen, wenngleich ein jeder Mann mit auch nur einer Spur von Klugheit weiß, daß es gefährlich werden kann, Fürsten zu nahe zu kommen oder den Bruder des Fürsten scheinbar dem Fürsten selbst vorzuziehen. Der Fürst liebt seinen Bruder, doch er fürchtet ihn auch, und im allgemeinen aus gutem Grund; und so fürchtet er auch den Freund des Bruders.
    Beide Brüder wollten den Mokisso, der in meiner weißen Haut lag, für sich selbst; ein jeder gelüstete nach mir, begehrte mich fast, wie es rivalisierende Liebhaber tun, denn ein jeder dachte, ich hätte etwas in mir, das seinen Geist erleuchten und erhöhen würde.
    Ich erhielt schon früh einige Hinweise darauf, nämlich als der Medizinmann Kakula-banga, ein hoher Hexer des Stammes, zu mir kam, um mich mit magischen Zeichen zu bemalen, die die Bedrohung der Zumbi abwehren sollten. Diese Geister wurden sehr gefürchtet. Der Zauberer war ein kleiner, runzliger Mann mit nur einem Auge und einer Narbe, die einen Großteil seines Gesichts aussehen ließ, als sei es in einer Flamme geschmolzen worden; doch dieses eine Auge sah mit scharfem Blick. Und er sagte, als er seine Zickzackmuster auf meine Haut malte: »Calandola ist Feuer, und Kinguri ist Schnee, und so herrscht Calandola, denn das Feuer herrscht über den Schnee. Und doch kann Schnee töten, und es ist ein überaus kalter Tod.«
    »Was hat dieses Hexergerede zu bedeuten, alter Mann?« sagte ich.
    »Daß du zwischen der Flamme und dem Eis stehst und beide dich verbrennen können, o Andubatil Jaqqa. Doch du kannst nicht beide Verbrennungen ertragen. Du wirst dich eines Tages wie wir alle zwischen Kinguri und Calandola entscheiden müssen. Denke darüber nach, o Andubatil Jaqqa! Denke darüber nach!«
    Doch diese dunklen Vorboten hatten keinen Gehalt für mich, bis im weitesten Sinne: nämlich, daß ich in der Nähe großer Männer vorsichtig sein mußte. In einem jeden Reich, und nicht nur dem der Menschenfresser, nährt sich Größe am Blut und Fleisch jener, die nicht so groß sind und aufzusteigen hoffen und bei ihrem Aufstieg sterben. Über solches Wissen hinaus war mir nichts bekannt, und ich entschloß mich, zu beobachten, abzuwarten und vorsichtig zu sein.
    Von Kinguri erfuhr ich etwas über die Geschichte dieser schrecklichen Jaqqas. Sie waren, so sagte er mir, aus dem Land gekommen, das als Sierra Leona bekannt ist, eine Hochebene irgendwo im tiefsten Afrika. Doch vor langer Zeit haben sie diesen Ort verlassen, alle Seßhaftigkeit aufgegeben und zogen als Nomaden durchs Land. So haben sie sich als Plage – man könnte fast schon sagen: Pestilenz – über große Teile des Kontinentes ausgebreitet, dieses und jenes Land überfallen und sind mit der Zeit südlich durch das Königreich Kongo und weiter östlich zu der großen Stadt Angolas, die Dongo genannt wird, gezogen. So kam es, daß sie diese beiden Gebiete heimsuchten, die die Portugiesen kolonisiert hatten, und eine ständige Bedrohung für die kleinen portugiesischen Außenposten und die christlichen Schwarzmohrnationen sind, die die Portugiesen sich Untertan gemacht haben.
    Auf ihren Wanderungen haben die Jaqqas mit der Zeit immer größere Ähnlichkeit mit den Stämmen angenommen, die sie erobert haben. Denn sie dulden nicht, daß ihre Frauen eigene Kinder gebären, sondern nehmen, wie ich bereits berichtet habe, die stärksten und besten Kinder ihrer Feinde in ihr Volk auf. So gab es in dem gesamten Lager nur noch zwölf natürliche Jaqqas des wahren Blutes, die ihre Hauptmänner waren, und vierzehn oder fünfzehn Frauen. Denn es ist über fünfzig Jahre her, daß sie aus Sierra Leona kamen, was ihr Heimatland war. Doch ihr Lager ist sechzehntausend Mann stark, und manchmal noch stärker, und alle kennen sich nur als Jaqqas, ohne sich ein Wissen über die Stämme bewahrt zu haben, aus denen sie kamen; und

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