Herr der Finsternis
wenn doch, dann verbergen sie es. Die Jaqqas nennen sich manchmal auch Imbangolas, was nur ›das Volk‹ bedeutet. Ich weiß nicht, warum sie zwei Namen für sich haben, doch vielleicht waren sie in ihrer früheren Heimat als Imbangolas bekannt und haben sich nur Jaqqas genannt, als sie auf Wanderschaft gingen. Doch dies ist nichts weiter als eine Annahme.
Die Vorschrift, keine Kinder zu haben, ist einer der seltsamsten ihrer Bräuche. Natürlich zeugen sie Kinder und tragen sie auch voll aus, und die Frauen sind sehr fruchtbar, da die Jaqqas ein wollüstiges Volk sind und ständig den Geschlechtsakt vollziehen. Doch den Frauen bleibt die Freude an ihren Kindern verwehrt: Denn kaum wird eine Frau von einem Kind entbunden, nimmt man es ihr augenblicklich fort und legt es in ein Loch in der Erde, und in diesem Gefängnis des Todes läßt man das neugeborene Geschöpf, das kaum das Licht des Lebens gesehen hat, sterben.
Der Grund für diese Grausamkeit liegt darin, daß sie sich auf ihren Reisen nicht mit beschwerlichen Bürden wie Kleinkindern abgeben und sich auch nicht mit der Erziehung von Kindern befassen wollen. Dies ist überaus monströs. Ich wurde selbst oftmals Zeuge, wie sie ein Loch aushoben und das Kind hineinlegten, und all dies geschah mit der größten Ruhe, dem größten Gleichmut, als schickten sie sich an, junge Katzen zu ertränken. Ich sprach Kinguri auf das offensichtlich Böse dieser Handlungsweise an, und er sagte: »Doch dadurch werden wir stärker, denn wir wählen nur die Besten für unser Volk aus und lassen alle anderen fallen.«
»Doch wären eure Kinder nicht stärker als die der anderen Stämme, da ihr ein so kühnes Volk seid? Und könnte man von ihnen nicht erwarten, daß sie genauso werden wir ihr?«
»Dies könnte schon sein, Andubatil, doch es geschieht nicht immer so. Große Könige bringen schwache Prinzen hervor. Hast du mir nicht selbst gesagt, daß dein König Heinrich nur kränkliche Söhne zeugte, die alle in jungen Jahren starben, so daß dein Königreich einer Frau überantwortet werden mußte?«
»Dies kann geschehen, aye, doch es ist nicht die Regel. Hast du keine eigenen Söhne gehabt, von deinen Frauen?«
Er schaute gleichgültig drein. »Ich habe sie nicht kennengelernt. Sie sind für mich nicht von Belang.«
»Sie sind deine Nachkommen, von deinem Blut, von deinem Mut!«
»Sie sind nur halb von mir, und wer weiß, welche Verderbtheit die andere Hälfte bringt? Ich sage dir, Andubatil, diese Kleinkinder sind nur Insekten, die einen Tag lang summen und dröhnen und dann sterben.«
»Nay, nay, nay«, sagte ich, ihn in die Enge treibend. »Ich glaube, daß starke Männer mit drallen Frauen gute und gesunde Kinder hervorbringen. Und mit der Ermordung eurer Kinder beraubst du dich mitsamt deinen Gefährten großer Kraft in euren Armeen und…«
»Gib Obacht, Andubatil!«
»Versündige ich mich?«
»Du versündigst dich extrem.«
»Ich spreche jedoch aus meinem Herzen.«
»Mein Bruder Calandola hat mir gesagt, du hättest das Herz eines Jaqqas.«
Das ließ mich einen Augenblick lang innehalten. Hatte ich in ihren Augen das Herz eines Jaqqas? Nun, ich hatte über aus freudig an ihren Festen teilgenommen, äffte die Jaqqa-Bräuche nach und trug gewissermaßen nun einen Jaqqa-Namen: Doch war ich im Herzen wirklich ein Jaqqa? Im Glauben? Diese Frage erstaunte mich sehr, und als ich ein zweites Mal darüber nachdachte, erinnerte ich mich an das heisere Krächzen dieses weißhäutigen Hexers, diesen dämonenäugigen Wahnsinnigen von Ndundu, der vor langer Zeit in der Stadt Loango gestöhnt und auf mich gezeigt und mich einen ›weißen Jaqqa‹ genannt hatte. Hatte sich seine Prophezeiung nun erfüllt? Nun, und so sei es, obwohl all dies über aus befremdlich für mich war.
»Und ist mein Herz nicht das eines Jaqqas?« fragte ich Kinguri.
»So erschien es meinem Bruder, und so erscheint es auch mir. Deshalb habe ich dich auch zu mir geholt und dir meine Liebe gezeigt. Doch irre ich mich? Ist dein Herz noch weiß?«
»Ich glaube, es ist sowohl weiß wie auch das eines Jaqqas«, sagte ich. »Ich bin auf der Reise zwischen dem einem Leben und einem anderen und schicke mich an, neue Gebräuche anzunehmen und alte abzulegen. Doch in mancher Hinsicht ist mein Herz so weiß wie immer. Wenn es darum geht, Kleinkinder zu ermorden…«
»Es ist kein Mord!«
»Für mich ist das Töten Unschuldiger Mord!«
»Du verstehst nichts!« rief er überaus wütend.
»Ich glaube,
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